Leena Schmitter
Universität Bern, Historisches Institut
Graduiertenkolleg/ProDoc „Gender: Prescripts ans Transcripts“, Universitäten Bern/Fribourg
Unter dem Stichwort „Das Private ist politisch“ haben Feministinnen der 1970er Jahre denjenigen Bereichen, die vormals als unpolitisch galten (wie etwa Körper oder Sexualität) eine politische Komponente zugesprochen. Dabei – so lautet meine arbeitsleitende Hypothese – besaß die Thematisierung des Schwangerschaftsabbruchs einen zentralen Stellenwert, denn ob Frauen als politische Akteurinnen wahrgenommen wurden, hängt nicht nur von ihrem eigenen Zutun oder „Aktions- und Mobilisierungsformen ab, sondern auch von ihrer Fähigkeit, andere Gruppen zu assoziieren und mit ihnen zu koalieren. Ob die von dieser Akteursgruppe aufgeworfenen Probleme als ‚politisch‘ betrachtet werden, ist abhängig von der Wahrnehmungsbereitschaft anderer, aber auch von der Platzierung solcher Probleme in einem ebenso anschluss- wie dramatisierungsfähigen Kontext. Die Grenzziehung zwischen Politischem und Unpolitischem gehört damit zu den wichtigsten, aber auch umstrittensten Handlungsfeldern politischer Akteure.“ (Frevert 2002) Das zeigt, dass nicht nur die Grenzen des Politischen variabel sind, sondern auch das, was Politik überhaupt sei und wie sich Frauen als politische Subjekte konstituieren. Anhand historischer Quellen zum feministischen Engagement für die Straffreiheit des Schwangerschaftsabbruchs in der Schweiz soll diese theoretische Situierung empirisch gesättigt werden.
In der Dissertation wird der Einfluss der Neuen Frauenbewegung auf die Legalisierung des Schwangerschaftsabbruchs in der Schweiz untersucht. Dem kulturhistorischen Ansatz der Neuen Politikgeschichte folgend, sollen einerseits die Rollen und Positionen verschiedener Gruppierungen untersucht werden, die an der Legalisierung des Schwangerschaftsabbruchs im Jahre 2002 beteiligt waren, wobei ein spezieller Fokus auf die Rolle der Frauenbewegung gerichtet wird. Es sollen die Verschränkungen, Wechselwirkungen, Anknüpfungspunkte und Abgrenzungsmechanismen verschiedenen AkteurInnen herausgearbeitet werden, um den Einfluss der Frauenbewegung auf den legislativen Wandel, der sich zwischen 1971 (Erste Initiative zur Straffreiheit des Schwangerschaftsabbruchs) und 2002 (Annahme der so genannten Fristenregelung) erstreckte, zu untersuchen. Andererseits liegt ein Forschungsinteresse darin, wie Akteurinnen der Neuen Frauenbewegung die „geordnete Welt“ der Diskurse (Landwehr 2008) über Körperlichkeit und Autonomie und juristisch-politische Entscheidungsmacht deuteten. Es wird danach gefragt, wie Feministinnen darin ihre Handlungsstrategien wählten und legitimierten und insbesondere wie „Schwangerschaftsabbruch“ von ihnen als ein soziales Phänomen gedeutet und als politisches Thema konstituiert wurde.
Fachrichtung: Geschichte, Gender Studies
Keywords: Neue Politikgeschichte; Frauen- und Geschlechtergeschichte; Geschichte der Neuen Frauenbewegung
Methoden/Theorien: Diskursanalyse; Oral History; Qualitative Methoden; Quellenkritik; Body Politics; Hidden Transcripts
Einen ausführlichen Projektbeschrieb finden Sie auf der folgenden Website: http://www.hist.unibe.ch/content/personal/schmitter_leena/index_ger.html
Kontakt: leena.schmitter@hist.unibe.ch