Ausstellung: Gedankenwelt der Ines Rieder: Sichtbarmachung eines Archivs über Frauenforschung, bis 28.08.2021, Wien

STICHWORT. Archiv der Frauen- und Lesbenbewegung (Link)

Ines Rieder war Historikerin, Autorin, Feministin und Journalistin. Ihr Thema war die Aufarbeitung, Bewahrung und das Sichtbarmachen lesbischer Geschichte. Im Dezember 2015 ist sie unerwartet gestorben.

Ines Rieder war auch die Besitzerin des Gebäudes Schleifmühlgasse 18 in Wien. Hier befindet sich u.a. die Galerie Michaela Stock, in der seit 19. Juni bis 28. August 2021 die Ausstellung „Gedankenwelt der Ines Rieder: Sichtbarmachung eines Archivs über Frauenforschung“ gezeigt wird (Link).

Ort: Galerie Michaela Stock, Schleifmühlg. 18, 1040 Wien
Zeit: bis 28.08.2021

Beschreibung: „Ines Rieder, 1954 in Wien geboren, kämpfte immer gegen Ausbeutung, Raubbau an den Ressourcen, soziale Ungerechtigkeit und die Rechte von Schwächeren an. Einen Teil ihres Lebens verbrachte sie in Berkeley, San Francisco und Sao Paulo, bevor es sie wieder nach Wien zog. In Österreich war sie eine Vorreiterin in der Erforschung der Geschichte von Lesben und Schwulen.

Zu den großen Verdiensten von Ines Rieder gehört die Sichtbarmachung des lesbischen Lebens und seiner Geschichte. Sie legte viel Wert auf deren historische Erforschung und Bewahrung auch in zugänglich gemachten Archiven. Mit ihren Publikationen setzte sie ein Zeichen gegen deren Ausblendung und schuf Möglichkeiten der Identifikation und kritischen Auseinandersetzung mit lesbischen Persönlichkeiten. Bereits 1988 hat sie sich als Co-Autorin in dem Buch “Frauen & Aids” beschäftigt, das diese Epidemie aus einer feministischen Perspektive ansprach (Link). Der Schwerpunkt ihrer schriftstellerischen und wissenschaftlichen Arbeiten waren lesbische Biografien des 20. Jhds.

Nach ihrem plötzlichen Tod wurde der Nachlass von Ines Rieder 2016 dem STICHWORT – Archiv der Frauen- und Lesbenbewegung (Link) zur Aufarbeitung und Bewahrung übertragen. Über 70 Archivkartons und 150 Datenbankeinträge ermöglicht das Nachvollziehen ihrer Schreib- und Denkprozesse so wie die oft langjährigen Vorstudien zu einem Vorhaben.

Dieses Archiv, sowie die vielen hier dokumentierten Lebensgeschichten, ihre Gedankenwelt werden nun in der Ausstellung sichtbar gemacht. Diese Ausstellung ist nicht nur die Geschichte eines Archivs aus Menschenfleisch, sondern soll uns auch zeigen, was passiert, wenn ein Archiv, der Ort des Bewahrens von Dokumenten und Wissen, nicht weiter befüllt wird, und somit aufhört zu existieren.

Ines Rieders langjährige Lebensgefährtin und Künstlerin Marlene Rodrigues, die maßgeblich an dieser Ausstellung mitgearbeitet hat, hat deren Gedankenwelt folgendermaßen beschrieben: „Das Gehirn von Ines Rieder war besser als jedes digitale Archiv, in diesem waren tausende von Geschichten und so viel Wissen, Gedanken und Ideen über das Leben und Wirken anderer Frauen gespeichert. Ines liebte das Leben und die Menschen, und mit Begeisterung hat sie Veränderungen und die dazugehörenden Geschichten, aufgesaugt und archiviert.”

Für das Ausstellungsprojekt wurden Frauen eingeladen, die Ines Rieder bereits kannten oder sich nun erstmals mit ihrer Gedankenwelt, dem Archiv, auseinandersetzen. Das Archiv wird neu rezipiert, erweitert und künstlerisch sichtbar gemacht Und es stellt Fragen nach den Grenzen des Archivs bezüglich des Bewahrens, Zugänglich- und Sichtbarmachens durch die räumlichen, zeitlichen und sozialen Kontexte. Die neu entstanden Werke können ein Gedicht sein, ein komponiertes Musikstück, ein Video, ein Text, eine Performance oder eine Zeichnung. Alle setzen sich selbstreflexiv mit der eigenen, archivierten Geschichte der jeweiligen Künstlerin auseinander.

Das Archiv wird dabei neu rezipiert, erweitert und künstlerische sichtbar gemacht. Es stellt sich die Frage nach den Grenzen eines Archivs bezüglich des Bewahrens, Zugänglich- und Sichtbarmachens durch die räumlichen, zeitlichen und sozialen Kontexte. Es entsteht ein neuer, kommunikativer Raum in einer virtuellen als auch realen Welt. Das Projekt zielt auf eine langfristige Lösung, das Archiv von Ines Rieder und ihre Auseinandersetzung mit lesbischer Geschichte in einem kollektiven und auch kreativen Prozess zu bearbeiten und das viele sozial Interaktionen (Frauenspaziergang, digitale Ausstellung, Video, Besuch einer Kunstausstellung, etc.) mit sich bringt.

Aufgrund der aktuellen Situation wird die Ausstellung als eine Kombination sowohl in einer virtuellen 3D Galerie als auch in den realen Ausstellungsräumen in der Schleifmühlgasse 18 gezeigt. In dem realen Ausstellungsraum sind sowohl die neu entstandenen Kunstwerke als auch Bücher und einige private Gegenstände von Ines Rieder ausgestellt. Es sind in diesen Räumen Talks, Konzerte und Performance angedacht. Je nach epidemischen Auflagen im Juni 2021 können diese einzelnen Veranstaltungen auch ohne Publikum per Video voraufgezeichnet werden. Bei einem visuellen Spaziergang zwischen der Schleifmühlgasse 18 (dem Haus in dem Ines Rieder lebte) und dem Stichwort Archiv (in der Gusshausstraße 20) sind alle Kunstwerke zu sehen.

Es ist ein Frauenspaziergang über lesbische Frauen im Bezirk geplant. Nach der Ausstellung sollen alle neu entstandenen Kunstwerke, Videos, die virtuelle Ausstellung, Musikstücke und Dokumente dem Stichwort Archiv übergeben werden – und weiterhin in der virtuellen Galerie sichtbar bleiben.

Begleitend zur Ausstellung wird es einen Weblog, einen mehrseitigen Ausstellungsleporello, Plakate und eine Videodokumentation der Gespräche, Konzert und Performance geben. Auch diese Zeitdokumente sollen in der virtuellen Galerie abrufbar sein.“