Eine zentrale und gleichzeitig umstrittene Forderung der Neuen Frauenbewegung in der Schweiz und in Europa war die Bezahlung der Haus- und Kinderarbeit. Die täglich unentgeltlich verrichtete Arbeit von Frauen und Müttern im Haus und mit den Kindern sollte nicht mehr als selbstverständlich hingenommen und nicht mehr als Privatangelegenheiten angesehen werden. Dies war im Verständnis der autonomen Frauenbewegung nur durch eine Bezahlung durch den Staat zu erreichen. So würde die bisherige Gratisarbeit an gesellschaftlichem Wert gewinnen und zusätzlich würden die betroffenen Frauen von der doppelten Belastung befreit, da sie nicht mehr unbedingt gezwungen wären, einer Erwerbsarbeit nachzugehen. Die Forderung nach Bezahlung der Hausarbeit war als grundsätzliche Kritik am Kapitalismus konzipiert. Das kapitalistische System sei auf die Teilung zwischen Erwerbs- und Hausarbeit aufgebaut und würde ohne die Gratisarbeit von Frauen zusammenbrechen.
Das Geschlechterverhältnis wurde von der Frauenbewegung (auch) aus einer ökonomischen Perspektive analysiert und diskutiert. Die Hierarchie von Frauen und Männern war in dieser Sichtweise ein Problem der ungleichen Verteilung von Arbeit, Geld und Zeit.Die für die Feministinnen der 1970er Jahre zentralen Debatten zur unbezahlten Hausarbeit sind in der aktuellen Gleichstellungspolitik kein Thema. Und dies obwohl etliche Forderungen der Neuen Frauenbewegung durchaus in die Institutionen und in die Politik Einzug genommen haben. So sind Frauen heute mehr erwerbstätig und besser gebildet, zivilrechtlich und eherechtlich gleichgestellt und können einigermassen frei abtreiben. Der Bereich der Hausarbeit hingegen ist aus den politischen und mehrheitlich auch aus den wissenschaftlichen Diskussionen verschwunden, obwohl von einer gerechteren Verteilung der Gratisarbeit zwischen Frauen und Männern laut aktuellen Studien keine Rede sein kann. Immer noch verrichten Frauen den grössten Teil der Haus- und Reproduktionsarbeit. Die Belastung ist durch die Reprivatisierung von Care-Arbeiten in der Folge des neoliberalen Abbaus öffentlicher Leistungen tendenziell sogar grösser geworden.
Fragestellung
Die Feststellung, dass die Hausarbeit trotz ihrer offensichtlich immer noch aktuellen Bedeutsamkeit für ein hierarchisch konstituiertes Geschlechterverhältnis aus dem Blickfeld des Feminismus verschwunden ist, war ausschlaggebend für die Entwicklung der folgenden Fragestellung:Wie thematisiert und bewertet die Neue Frauenbewegung Haus- und Kinderarbeit und wie verändert sich das Problembewusstsein über die Untersuchungsperiode? Lässt sich daraus ein spezifisches Feminismusverständnis bzw. ein Wandel im Feminismusverständnis der Frauenbewegung ableiten?
Um diese übergeordnete Frage beantworten zu können, sind folgende Unterfragen zu stellen: Wird Hausarbeit von der Neuen Frauenbewegung an und für sich negativ bewertet oder deren gesellschaftliche Stellung? Was ist das Problem der Hausfrauenarbeit und welche Massnahmen und Konzepte propagiert die Neue Frauenbewegung als Lösungsvorschläge?
Simona Isler
Universität Bern, Historisches Institut
Betreuerin: Prof. Dr. Brigitte Studer
Skizze Masterarbeit Simona Isler: Die Hausarbeitsdebatte in der Neuen Frauenbewegung in der Schweiz (1970-1990)
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