Vortrag: Katrin Sippel: Und ohne Hut! Weibliche Flüchtlinge in Portugal ab 1933, 29.03.2022, virtueller Raum

öge-frauenAG – Österreichische Gesellschaft für Exilforschung (öge) (Web)
Dienstag, 29. März 2022, 18:30 Uhr
Ort: virtueller Raum, via Wien
Nach Hitlers Machtergreifung in Deutschland 1933 kamen die ersten Flüchtlinge nach Portugal. Viele folgten nach der Annexion Österreichs und den Novemberpogromen 1938. Die größte Zahl an Flüchtlingen erreichte das iberische Land nach der Kapitulation Frankreichs im Juni 1940. Portugal blieb während des Zweiten Weltkriegs neutral und wurde ein wichtiges Transitland für Flüchtlinge, die nach Übersee gelangen wollten.
Premierminister António de Oliveira Salazar begründete in den frühen 1930er-Jahren mit dem Estado Novo einen autoritären Ständestaat und hielt das Land in einer Art splendid isolation. Die drei Pfeiler des Salazarismus waren Deus, Patria, Familia (Gott, Heimat, Familie). Berufstätigkeit von Frauen wurde erschwert, da Salazar fürchtete, sie könne zur Desintegration von Familien führen. Die Familie wurde als Keimzelle der Gesellschaft gesehen. Frauen wurden für ihre Rolle als Hausfrauen, Mütter und Erzieherinnen bescheidener, fügsamer künftiger Generationen erzogen. Bürgerliche Frauen durften nicht ohne Begleitung das Haus verlassen, Bekleidungsvorschriften waren sehr strikt. Die Analphabetenrate war bei Frauen viel höher als bei Männern und sie hatten kaum Recht auf politische Mitbestimmung.
Die neu angekommenen weiblichen Flüchtlinge stellten die traditionellen Geschlechterrollen in Portugal in Frage. Sie gingen alleine ins Kino oder ins Konzert, ‚eroberten‘ die traditionell männlichen Kaffeehäuser, rauchten in der Öffentlichkeit und kleideten sich vor allem viel freizügiger als die Portugiesinnen. Auf Basis von Fachliteratur über Flüchtlinge in Portugal, Memoiren von Flüchtlingen und zeitgenössischer portugiesischer Journalistik und Belletristik sollen dieser ‚culture clash‘ und seine Folgen gezeigt werden.
Katrin Sippel hat an den Universitäten Wien, Granada und Klagenfurt Geschichte, Spanisch, Lateinamerika-Studien und Interdisziplinäre Kommunikation studiert und lebt als Historikerin und Übersetzerin in Wien. Publikationen zu jüdischem Leben in Wien vor und nach 1938, zu Österreicher*innen in der französischen Résistance und zu (österreichischen) Flüchtlingen in Portugal.
Einladung als PDF
Link zur Veranstaltung via Zoom: https://zoom.us/j/92871445029?pwd=bW1OZGdnVnNuMHZUZmR2RDQ1QU9Idz09