CfP: Mörderinnen: Verbrechen – Körper – Inszenierung (10/2011, Siegen), DL: 30.04.2011

Dr. Hyunseon Lee, Dr. Nicola Glaubitz, Zentrum für Gender Studies, Universität Siegen, Siegen

Zeit: 13.-14.10.2011
Ort: Universität Siegen
Einreichfrist: 30.04.2011

‚VerbrecherInnen werden nicht als VerbrecherInnen geboren, sondern dazu gemacht.‘ Diese Anspielung auf Simone de Beauvoirs „Das andere Geschlecht“ (1949) steht in krassem Gegensatz zu Cesare Lombrosos ‚kriminellem Körper‘, der als ‚anormaler‘ Körper biologisch, psychologisch, aber auch soziologisch zum Verbrechen vorherbestimmt ist.

Doch jener umstrittene kriminelle Körper scheint im Laufe eines Jahrhunderts Transformationen erlebt zu haben, wenn er – zumindest seinen medialen Inszenierungen zufolge –  nicht mehr im dunklen Milieu herumläuft, sondern überall, sogar nebenan im Wohnzimmer, lauert und allabendlich an jeder Straßenecke mit unauffälligem Habitus seine Lust auf Verbrechen auslebt. Zudem sind die Tatorte nicht mehr Männerdomäne, sondern auch bevölkert von Frauen: nicht mehr nur von Prostituierten und Kommissarinnen, nicht nur von Opfern männlicher Gewalt, sondern auch von Täterinnen.

Die geplante interdisziplinäre Konferenz will anstatt des gängigerweise thematisierten weiblichen Todes die weiblichen Tötungen und dabei besonders den Körper weiblicher Verbrecher unter die Lupe nehmen. Weibliche Tötungen verletzen Normen: ethische, juristische, humanitäre, soziale und oft auch politische. Aber bei näherem Hinsehen ist Verbrechen nicht gleich Verbrechen, und vor allem ist Verbrecherin nicht gleich Verbrecher. Denn wahrgenommen und medial inszeniert werden kriminelle Normverstöße auch als Verletzung von Gendernormen. Die
ungeschriebenen Vorstellungen von ‚richtigen‘ Geschlechterverhältnissen und Geschlechtsidentitäten werden dann sichtbar, wenn männliche Gewalt selbstverständlich, weibliche Gewalt zum Skandalon wird. Hier wird oft ‚fehlende‘ Weiblichkeit zum Kriterium der öffentlichen Meinungsbildung über die Verbrecherin oder Mörderin.

Wenn sich in westlichen Gesellschaften tatsächlich seit dem späten 19. Jahrhundert Phasen der sozioökonomischen Entdifferenzierung von Geschlechterrollen und solche der Reaffirmation und Naturalisierung (oder Normalisierung) abwechseln und überlagern, so wäre hier nach den konkreten Manifestationen von de- und regendering zu fragen: Die Inszenierung krimineller Körper wirft insbesondere im Hinblick auf de-
und regendering der Geschlechter interessante Fragen auf, zumal der biologische Körper im Bereich der Gender-Studien keineswegs als abgetan gelten kann.

Diverse Mediendiskurse wie Literatur, Film, Theater, Oper, Performances, insbesondere Fernsehen liefern die visuellen Schablonen und die narrativen Muster für Genderkonzepte und Genderrelationen. Sie bestimmen aber auch mit, wie kriminelle Normverstöße kulturell verhandelt werden. Mögliche Fragestellungen können hierbei z.B. sein:

– Welchen Status haben kanonisierte Figuren(paare) wie Medea, Judith, Carmen, Bonnie und Clyde usw. zwischen ca. 1850 und der Gegenwart? Wie werden diese Mörderderinnen inszeniert, transformiert, aktualisiert?

– Welche Verschiebungen von Weiblichkeits- und Männlichkeitsnormen haben im Laufe der Zeit stattgefunden, und wie kommen sie zum Ausdruck?

– Gibt es neue kulturelle Dominanten, Figuren oder Darstellertypen für bestimmte Formen von Mord, oder auch Versuche der Dekonstruktionen von Gendernormen?

– Welche Konzepte von Körper und Gender liegen den Inszenierungen von Mörderinnen zugrunde?

– Welche Rolle spielen hierbei die Körper der Darstellerinnen wie auch der Akteure und Akteurinnen? Inwiefern kann man von einer Maskerade der Geschlechter sprechen?

– Welche visuellen und narrativen Stereotype bestimmen die mediale Darstellung von weiblichen Verbrechen (z.B. Mordprozesse von Marianne Bachmaier, Amanda Knox, RAF-Prozesse)? Wie und wo werden solche Stereotype außer Kraft gesetzt? Wie lassen sich mediale Konjunkturen bestimmter Verbrechens- oder VerbrecherInnentypen erklären, welcher politischen Logik folgen sie? (z.B. Serien- und Giftmorde, okkulte und
Ritualverbrechen, Kindsmord bzw. -missbrauch?)

– Gibt es eine bestimmte Medienästhetik, nach welcher Verbrechen, insbesondere weiblicher Mord, behandelt wird?
 
Beiträge zu diesen und weiteren Fragen sind erwünscht aus allen Bereichen, die sich mit Gender-Studien befassen und insbesondere aus den Geistes-, Kultur- und Medienwissenschaften.

Die Vorträge können auf Deutsch oder Englisch gehalten werden und sollten 20 Minuten nicht überschreiten.

Kosten für Anreise und Unterbringung können z.T. übernommen werden.

Bitte senden Sie ein Abstract (max. 500 Zeichen) und bio- und bibliografische Angaben zu Ihrer Person (max. 5 Zeilen) bis zum 30. April 2011 an folgende beide Mailadressen:
Dr. Nicola Glaubitz: glaubitz@anglistik.uni-siegen.de
Dr. Hyunseon Lee: lee@fk615.uni-siegen.de

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