biografiA – Neue Ergebnisse der Frauenbiografieforschung – Institut für Wissenschaft und Kunst (IWK) (Web)
Zeit: 19.04.2023, 18:30-21:30 Uhr
Ort: IWK, Berggasse 17, 1090
Ruth Medger, eine aus dem liberalen Bildungsbürgertum stammende Preußin, wurde ab 1934 eine „glühende Nationalsozialistin“, die ein selbständiges Leben als Frau jenseits traditioneller Geschlechterrollen führte. Auf großes Interesse stieß ihr 1940 erschienenes Jugendbuch „So fand ich Deutsch-Ostafrika – Beobachtungen und Erlebnisse einer deutschen Kolonial-Schülerin“. Nach Studien in Berlin und Hamburg erfuhr Ruth Medger 1943 bei einem ‚Reichseinsatz‘ in der Ukraine auch von der Ermordung der jüdischen Bevölkerung. Daraufhin konvertierte sie in Österreich zu einem fundamentalistischen Katholizismus, wurde in der Nachkriegszeit Pressereferentin von Erzbischof Rohracher und berichtete freiberuflich in Salzburg über kirchliches und geistesgeschichtliches Geschehen.
Ruth Medgers lebensgeschichtliche Erinnerungen an den Nationalsozialismus haben bislang keinen Weg an eine Öffentlichkeit gefunden. Darin schildert sie ihren „geistigen“ Umbruch zum Katholizismus zunächst als ausreichende Abkehr. Als Ursache für ihre Konversion bringt sie diese in immer näheren Zusammenhang zur Shoah in der Ukraine. Ihre textlichen Quellen zeigen Ruth Medgers lebenslanges Festhalten an der „alleinseligmachenden katholische Kirche“ auch als die Überforderung, den Katholizismus mit der konkreten Aufarbeitung des Nationalsozialismus zu verbinden.
Elsa Hamerla hat sich in ihrer Masterarbeit mit den Erinnerungen ihrer Mutter Ruth Medger beschäftigt und plant eine weiterreichende Biographie.