Carla Ostermayer (Univ. Innsbruck), Constanze Stutz (Institut für Sozialforschung Frankfurt a.M.) und Henrike Bloemen (Univ. Münster/Univ. Innsbruck)
Einreichfrist: 15.08.2024
Entlang der multiplen Krise des neoliberalen Kapitalismus (Bader et al. 2011) potenziert sich auch das Bedürfnis nach Sicherheit und Eindeutigkeit. Eine Reaktion auf die durch die Krise verursachten Verunsicherungen ist die Anrufung einer scheinbar präpolitischen und vorgesellschaftlichen ‚Natürlichen Ordnung‘ (u.a. Daston 2018; Hark/Villa 2015; Lang/Peters 2018; Mayer et al. 2018; Siri 2015: 252). Eine aus biologistischer und binärer Logik heraus begründete Gesellschaftsordnung, die zutiefst heteronormativ vergeschlechtlicht, rassifiziert, klassifiziert und ableisiert ist, soll gegen progressive Gesellschaftsveränderungen und -vorstellungen verteidigt werden. In kritischer Perspektive wird deutlich, dass der rhetorische Rückgriff auf die ‚Natürliche Ordnung‘ als vermeintlicher Common Sense (Crehan 2018; Bloemen 2024) – als ‚Gesunder Menschenverstand‘ (Huke 2019; Mayer 2021) – zum Festzurren eines gesellschaftlichen Konsenses dient, der alternativlos erscheint und dem damit nicht nur eine Normalisierungs-, sondern vor allem auch eine gewaltvolle Naturalisierungsfunktion (Ludwig 2011) zukommt. Das Phantasma einer ‚Natürlichen Ordnung‘ kann nur mit gewaltvoller Anstrengung aufrechterhalten werden. Die Ordnung funktioniert nur, indem das Andere, das Unordentliche, das Unklare, das Uneindeutige nicht nur übergangen, sondern gewaltvoll ausgeschlossen, auf Eindeutigkeit ‚gebürstet‘ oder gar vernichtet wird.
Mit dem Sammelbandprojekt verfolgen die Herausgeberinnen ein doppeltes Ziel: Zum einen ist es ihr Anliegen, die Anrufungen einer vermeintlich ‚Natürlichen Ordnung‘ als autoritäres und antifeministisches Phantasma einer gewaltvollen kapitalistischen Gesellschaftsformation systematisch zu kritisieren. Es ist ihr Wunsch, theoretische Perspektiven mit literarischen und künstlerischen Kritiken der ‚Natürlichen Ordnung‘ zu verknüpfen. Zum anderen möchten sie mit ihrer Perspektive unterstreichen, dass die Krisenhaftigkeit mit einer Un/Gewissheit einhergeht, die sie nicht nur als krisenhaftes Phänomen, sondern ebenso als Ausgangspunkt für intersektionale, (queer-)feministische Kritiken heranziehen. Weiterlesen … (PDF)
Quelle: fernetzt mailing list