Arbeit – Bewegung – Geschichte: Zeitschrift für historische Studien (Web)
Einreichfrist: 30.09.2024
Die kulturelle Praxis von Arbeiter:innen als historische Subjekte rückte innerhalb der westdeutschen Historiographie der 1970er- und 1980er-Jahre verstärkt in den Brennpunkt des Interesses. Besonders zwei Schwerpunkte in der Untersuchung von proletarischen Lebensweisen und Lebenswelten auf der Mikroebene des gesellschaftlichen Lebens schälten sich heraus: Zum einen die Fokussierung auf eine „Arbeiterkultur“ der Arbeiter:innenbewegung in zumeist organisierter Form, wie etwa im Arbeiter:innensport oder in Verbänden der Arbeiter:innenjugend. Zum anderen eine Geschichte des Alltags von Arbeiter:innen und ihren lebensweltlichen Erfahrungs- und Wahrnehmungsweisen sowie eines Handelns, das in und jenseits des Betriebs mitunter nicht „klassenbewusst“, sondern von Eigensinn geprägt war. Auch in der DDR beschäftigten sich Historiker:innen mit ähnlichen Fragestellungen. Im Zentrum der Untersuchungen standen zuvorderst Phänomene aus der Zeit des Kaiserreichs und der Weimarer Republik, aber auch Brüche und Transformationen infolge der NS-Herrschaft und ab 1945. Bis heute in der deutschsprachigen Historiographie präsent sind etwa das mit der „Alltagsgeschichte“ entwickelte Konzept des „Eigen-Sinns“ oder methodische Ansätze wie „Oral History“. An letzterem wird auch der politische Anspruch einiger Historiker:innen ersichtlich, die für eine demokratische „Geschichte von unten“ bis dato kaum verzeichnete Stimmen von Arbeiter:innen als Zeitzeug:innen erhoben. Ebenso fällt die Gründung erster „Geschichtswerkstätten“ in diese Zeit, wodurch auch geschichtswissenschaftliche Autodidakt:innen der Neuen Sozialen Bewegungen zur Erforschung insbesondere lokaler Alltagskulturen beitrugen. Die erste Hochphase einer Geschichtsschreibung der „Arbeiterkultur“ ist also inzwischen auch zum Gegenstand der Zeit- oder der Wissen(schaft)sgeschichte geworden.
Heute hat die Alltagskultur der Arbeiter:innen ihren festen, wenn auch nicht omnipräsenten Platz in der Historiografie. Zumindest verdeutlichen Tagungen wie jene zur „Gesellschaftsgeschichte der Arbeiterinnen“ im vergangenen Jahr in Heidelberg ein weiterhin vorhandenes Interesse an einer Kulturgeschichte des Proletariats auf der Ebene des Alltags, während zugleich das Vergessen früherer Forschungsansätze und -ergebnisse aus den 1980er-Jahren konstatiert wird. Weiterlesen … (PDF)
Quelle: H-Soz-Kult