Bernhardine Alma (geb. 1895) war mit drei Geschwistern in gutbürgerlichen Verhältnissen in Wien aufgewachsen. Ihre enorm umfangreichen Tagebuch-Aufzeichnungen enthalten detaillierteste Beschreibungen, so auch von der Stimmung in Wien im Frühsommer 1914.
5. Juli 1914. Samstag, abends.
Vorgestern kaufte mir die Mama die anliegende [nicht erhaltene] Karte von der „Kaiserfamilie“ wie ein Verkäufer sagte. Der Hochadel hat demonstrativ am Leichenzug teilgenommen, was ich reizend finde. Der Kaiser hat eine sehr liebe Proklamation erlassen, aber Fürst Montenurno [?] soll an der einfachen Bestattung Schuld sein, auch daran, daß dem deutschen Kaiser, der mit 7 Bundesfürsten und dem deutschen Heer das Andenken seines toten Freundes ehren wollte, bedeutet wurde nicht zu kommen. Die Leichenfeier in Pöchlarn war schandbar. – Der Papst hat die Gattin Vellmöllers [vermutlich Maria Carmi], die eine Schauspielerin ist, in Audienz empfangen und mit dem apostolischen Segen entlassen. Das freut mich ja so sehr. Denn mein Wunsch zur Bühne erkaltet nicht. Er ist ein Teil meiner Selbst. Ich habe einen direkten Drang dazu, den nur eine sehr geringe Hoffnung unterstützt. Einmal, einmal nur spielen können! Ich werde noch wahnsinnig an diesem Wunsch, der mir ein Bedürfnis, eine Lebensnotwendigkeit ist! – Und doch liegt in meiner Natur leider, leider, leider etwas, das mich zwingt, meine Wünsche zurückzudrängen, eher an ihnen zu verbluten, als sie gegen andre zu behaupten! – – – – […] Der D. [Beichtvater der Schreiberin] predigte heute ziemlich schön! – Der Onkel Rudolf v. M. war heute da und erzählte vom Justifizieren (Hinrichten) u.s.w. So etwas ist schrecklich. Aber ich hätte, wenn ich vorher gut gebeichtet u. kommuniziert hätte, gar, gar keine Angst vorm Tod. […] Ich tu sehr, sehr viel für zuhause [im Haushalt]; werde das von nun an aber sicher bis zum August nicht mehr hereinschreiben. – Continue reading →