CfP: Männlichkeit und Arbeit – Männlichkeit ohne Arbeit? Historische, psychohistorische, sozial- und literaturwissenschaftliche Perspektiven (Event: Stuttgart), Deadline: 11.01.2009

Sechste Tagung in Stuttgart-Hohenheim: Arbeitskreis für interdisziplinäre Männer- und Geschlechterforschung – Kultur-, Geschichts- und Sozialwissenschaften AIM GENDER und Akademie der Diözese Rottenburg-Stuttgart, Referat Geschichte

Zeit: 2. bis 4. April 2009
Ort: Stuttgart
Deadline: 11. Januar 2009

Ziel des Arbeitskreises AIM GENDER ist die fächerübergreifende gegenseitige Wahrnehmung und Kooperation von Forschern und Forscherinnen aus Geschichts-, Literatur-, Kultur- und Politikwissenschaften sowie der Soziologie und Psychologie, die zum Thema Männlichkeiten und deren Auswirkungen auf Kultur und Gesellschaft in Vergangenheit und Gegenwart arbeiten.

Der Bereich der Erwerbsarbeit erfährt gegenwärtig einen Strukturwandel, dessen Konturen und Folgen noch kaum hinreichend analysiert sind. Dieser Strukturwandel dürfte weitreichende Konsequenzen auch für männliche Lebenslagen und die Konstruktion von Männlichkeit haben, da männliche Geschlechtsidentität bisher zentral auf Berufsarbeit beruht.Das sog. Normalarbeitsverhältnis, das durch eine weitgehende Arbeitsplatzkontinuität und soziale Sicherung geprägt gewesen ist, löst sich auf. Ein häufiger Wechsel zwischen Phasen der Vollbeschäftigung, Arbeitslosigkeit, Teilzeitbeschäftigung und Minijobs wird für immer mehr Beschäftigte zu einer Basiserfahrung. Neu ist, dass dies eine geschlechterübergreifende Normalität zu werden beginnt. In der Dimension der Erwerbsarbeit beginnen sich die Lebenslagen von Männern denjenigen von Frauen anzugleichen. Eine wachsende Zahl von Männern wird zumindest temporär von Versorgungsleistungen ihrer Partnerin abhängig.
Ein weiterer Aspekt ist die Auflösung der homosozialen Ordnung in immer mehr vormals exklusiv männlichen Berufen, zu denen sich Frauen Zugang verschafft haben. Auch könnten neue Arbeitsformen (z. B. Telearbeit; projektorientierte Teams nur für die Dauer eines Auftrages) zu einer Erosion der homosozialen Substruktur der Berufswelt beitragen.

Die mit dem o. a. „Normalarbeitsverhältnis“ einhergehende geschlechtsspezifische Arbeitsteilung sowie die Bipolarisierung der Geschlechtscharaktere prägten sich erst im 19. Jahrhundert voll aus. Dieser Prozess und seine genderspezifischen Begleiterscheinungen sollen insbesondere hinsichtlich der vorrangigen Zentrierung männlicher Leitbilder und Lebenspraxis auf Berufsarbeit rekonstruiert werden.

Der aktuelle Strukturwandel der Arbeit veranlasst uns darüber hinaus, Strukturen geschlechtsspezifischer Arbeitsteilung aus Zeiten vor der Industrialisierung erneut in den Blick zu nehmen. Sie wurden treffend durch das Bild des Arbeitspaares (H. Wunder) charakterisiert, das die unterschiedlichen, aber gleichwertigen Beiträge von Männern und Frauen zu Haushaltseinkommen und Reproduktion herausstellte. Solche anders geprägten Geschlechterarrangements aus Zeiten vor formalisierten Arbeitsmärkten dürften aufschlussreiche Anregungen für die gegenwärtige Diskussion über den Strukturwandel der Arbeit bieten.
Hinsichtlich des sich wandelnden Zusammenhangs von Arbeit und männlichen Identitätskonstruktionen dürfte sich die Literatur der letzten Jahrhunderte als besonders ergiebiges Reflexionsmedium erweisen. Zu fragen wäre, welche Bilder und Erzählungen sie für die Problematisierung von Männlichkeit bereit hält, insoweit sich diese über differente, ja konkurrierende Formen von Arbeit (z. B. bürgerliche Erwerbsarbeit vs. künstlerische Arbeit) bestimmt. Darüber hinaus ist zu vermuten, dass insbesondere die Literatur der Gegenwart den Wandel der arbeitsbezogenen Tätigkeiten von Männern und die daraus resultierenden neuen Geschlechterarrangements facettenreich in Szene setzt.

Im Rahmen dieser Tagung sollen soziologische, zeitdiagnostische, historische, psychohistorische und literaturwissenschaftliche Beiträge fachübergreifend diskutiert werden.

Weitere Anregungen für Fragestellungen

  • Wie wurde der Strukturwandel der Arbeit hin zum „Normalarbeitsverhältnis“ wahrgenommen: von den Betroffenen, von den „Fachleuten“? Wie wird das Verschwinden des Normalarbeitsverhältnisses erfahren?
  • Ab wann kann man überhaupt für die Mehrheit der Männer – später der Frauen – eine Dominanz des Normalarbeitsverhältnisses konstatieren?
  • Wie wirken sich die neuen Informationstechnologien auf die Kontinuität sozialer Bindungen, insbesondere auf männerbündische Strukturen in der Berufswelt aus?
  • Wie werden und wurden die Auswirkungen, die der Übergang von häufig wechselnden Arbeitsverhältnissen zu Dauerarbeitsverhältnissen bzw. umgekehrt auf Partnerschaften hatte, erlebt? Wie veränderten sie Geschlechterarrangements? Welche institutionellen Arrangements federten sie ab?
  • Wie entwickelte sich die zentral auf Arbeit bzw. Berufstätigkeit bezogene männliche Geschlechtsidentität und lässt sich derzeit ein Wandel beobachten?
  • Wie wurde die weniger polarisierte geschlechtsspezifische Arbeitsteilung vor der Industrialisierung erfahren und reflektiert?
  • Wie reflektieren Autorinnen und Autoren in ihren literarischen Werken die durch den Wandel der Geschlechterverhältnisse entstehenden neuen sozialen Erfahrungs- und Arbeitsräume von Männern?
  • Reagieren Autoren auf die Neuverteilung von Arbeit zwischen den Geschlechtern mit neuen poetologischen bzw. produktionsästhetischen Konzepten? Wenn ja, mit welchen Schreibweisen und in welchen literarischen Genres?

Dazu sind Beiträge über alle Epochen und aus den genannten Disziplinen sowie Nachbardisziplinen erwünscht. Wir bitten um Vorschläge für Einzelvorträge oder Sektionen (zwei Stunden mit mehreren Vorträgen). Diese können z. B. thematisch, disziplinär und epochenspezifisch angelegt sein. Berichte über „work in progress“ sind ausdrücklich willkommen.

Die ausgewählten Beiträge werden ab 15. 3. 2009 im Netz auf der Website des AIM GENDER veröffentlicht. Das erlaubt allen Teilnehmenden, sich die Papiere vorab durchzulesen.

Tagungssprache ist Deutsch. Papiere und Vorträge können aber auch in englischer Sprache vorgelegt bzw. gehalten werden.

Eine Finanzierung kann nicht übernommen werden. Jede und jeder bezahlt also Fahrt- und Aufenthaltskosten selbst.

Wir laden ein, Abstracts (höchstens eine Seite, max. 1800 Zeichen) für ein Papier bis zum 11. Januar 2009 an die E-Mail-Adresse aim-gender#gmx.net zu schicken. Das Abstract muß Name, Fachrichtung, Position und E-Mail-Adresse des oder der Vorschlagenden und einen Vortragstitel enthalten. Die Problemstellung und die benutzten Materialien sollten klar herausgearbeitet werden. Aus diesen Abstracts wird das Programm zusammengestellt.
Allen an der Teilnahme Interessierten empfehlen wir, sich mit dem unten folgenden Formular direkt bei der Akademie der Diözese Rottenburg-Stuttgart – Referat Geschichte, Im Schellenkönig 61, D-70184 Stuttgart (Tel: +49 711 164 0752) anzumelden. Diese Anmeldung ist unabhängig von der Präsentation oder Annahme eines Diskussionspapiers. Anmeldungen und Rückfragen bitte an Frau K. Hopfensitz, E-Mail-Adresse: hopfensitz#akademie-rs.de

Die Einladenden
Prof. Dr. Martin Dinges und Erik Ründal, M.A., für AIM GENDER
Dieter R. Bauer, Referat Geschichte der Akademie der Diözese Rottenburg-Stuttgart
Prof. Dr. Michael Meuser (Dortmund)
Dr. Sylka Scholz (Dresden)
Prof. Dr. Toni Tholen (Hildesheim)

Rückfragen zum Programm bitte an martin.dinges#igm-bosch.de.

Weitere Informationen: http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/termine/id=10271

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