124. Defensio einer Dissertation aus der Studienrichtung Geschichte
Ort: Institut für Geschichte, Lesesaal der Fachbibliothek, Universität Wien, Dr. Karl Lueger-Ring 1
Zeit: Freitag, 03.04.2009, 14.00 Uhr
Im Zentrum dieser Dissertation stehen die Körperinszenierungen von drei Künstlerinnen: Selbst-Porträts der französischen, multi-disziplinären Künstlerin und Autorin Claude Cahun (1894-1954), produziert in Zusammenarbeit mit ihrer Lebensgefährtin Marcel Moore (1892-1972), Performances der US-amerikanischen Performance- und Konzeptkünstlerin Karen Finley (*1956) und Performances der dänischen Choreographin und Tänzerin Mette Ingvartsen (*1980). Ausgehend von der Frage, ob den Körperinszenierungen das Attribut „subversiv“ zugeschrieben werden kann, bildet die kritische Auseinandersetzung mit den politischen Potentialen von Kunst den Fokus der vorliegenden Arbeit. Eine der leitenden Thesen der Arbeit ist, dass (intentionale) Subversion, verstanden als eine Handlung von AkteurInnen (auch in der Kunst), und Subversivität, verstanden als ein Attribut der Zuschreibung, in der Rezeption unterschieden werden müssen. Ich argumentiere dabei, dass Subversion zwar ein mögliches politisches Potential, aber nicht jede Realisierungsform eines politischen Potentials auch subversiv ist. Die Detailanalysen zu den einzelnen Künstlerinnen widmen sich insbesondere den Fragen, wie und in welchem Kontext den Körper¬inszenierungen der Künstlerinnen ein politisches Potential zugeschrieben und künstlerische Praxis als kritisches Handeln gegen hegemonialen Normen verstanden werden kann. Weiters wird der Frage nachgegangen, wie die Körperinszenierungen normative Wahrnehmungen, etwa der binären Geschlechterkonstruktion herausfordern. Die politischen Potentiale der künstlerischen Manifestationen werden vor den jeweils unterschiedlichen historischen und kulturellen Kontexten aufgezeigt und die unterschiedlichen Auffassungen von Politisch-Sein der einzelnen Künstlerinnen beleuchtet. Um die Komplexität der einzelnen künstlerischen Arbeiten sichtbar zu machen, wurden in den Analysen Kunstpraxis, Kunstdiskurs und das Kunstfeld, verstanden als der soziale Raum, in dem Praxis und Diskurs hervorgebracht werden, gleichermaßen berücksichtigt. Dabei wird vor allem der künstlerischen Vielseitigkeit der einzelnen Künstlerinnen und der medialen Diversität der künstlerischen Manifestationen – Photographie, Literatur, Objektkunst, Installationen, Zeichnungen, Montagen, Performances in der Tradition der Bildenden Kunst und Performances in der Tradition des zeitgenössischen Tanzes – Rechnung getragen. Neben den Körperinszenierungen werden auch Texte der Künstlerinnen sowie andere künstlerische Manifestationen wie z.B. Bilder und Objekte analysiert. Die Künstlerinnen inszenieren Körper nicht nur in den Performances, Photos etc., sondern sie beschreiben, generieren und formen Körper auch durch Sprache, wie etwa Claude Cahun in ihren literarischen Texten oder Karen Finley in ihren Monolog-Texten. Die inszenierten Körper der Performances und Photographien bedürfen mitunter, wie etwa im Fall der Performamces Karen Finleys, die Unterstützung, Verstärkung von begleitenden Texten, Worten, sprachlichen Körperschilderungen, um normative Wahrnehmungsschemata herausfordern bzw. politische Potentiale generieren zu können. Den Analysen zu den einzelnen Künstlerinnen ist ein Kapitel vorangestellt, das sich der kritischen Auseinandersetzung mit verschiedenen Konzepten von Subversion, sowie der Problematisierung des Begriffes der Subversion widmet, der durch übermäßigen und unhinterfragten Gebrauch in den Wissenschaften, Künsten, politischen Bewegungen und Medien eine Bedeutungsentleerung erfahren hat. Nicht zuletzt versteht sich die vorliegende Arbeit auch als Beitrag zur aktuellen akademischen Debatte über Subversion, der in jüngster Zeit im deutschsprachigen Raum wieder verstärktes Interesse geschenkt wird. An Hand der einzelnen künstlerischen Manifestationen wird einerseits die Vielfältigkeit der Bedeutungs¬möglichkeiten von Subversion und Subversivität aufgezeigt und andererseits die Differenz zwischen intentional-subversiver Praxis und Subversivität-zuschreibender Praxis verdeutlicht.
English Abstract
This dissertation examines body representations in the self-portraits of French multi-disciplinary artist Claude Cahun (1894-1954) and her lifelong-partner Marcel Moore (1892-1972), in the performances of US-American performance- and concept-artist Karen Finley (*1956) as well as in the performances of Danish choreographer and dancer Mette Ingvartsen (*1980). Based on the question whether these body representations can be characterized as “subversive”, this dissertation aims to critically investigate the political potentials of art. I argue that subversion is one possible form of a political potential but not every political potential is subversive. In analyzing the artistic manifestations I examine in particular the question in which contexts political potentials may be ascribed to the artistic body representations and in what ways artistic practice can resist and challenge hegemonic norms such as the binary construction of gender. Both the political potentials of the artistic body representations as well as the artists diverging opinions about “being political as an artist” are discussed in relation to the different historical and cultural contexts. These analyses combine investigations into art practice, art discourse and into the field of art, conceived as the social place in which practice and discourse are created, in order not to decrease the complexity of the artistic manifestations. In order to illustrate the versatility of each artist, the different artistic media of their productions including photography, literature, object art, multi-media installations, drawings, montages, performances in the tradition of the visual arts (Finley) and performances in the tradition of contemporary dance (Ingvartsen) are taken into account. The artists stage bodies not only in their photographes and their performances but also in their texts in which bodies are described, generated and formed through words – for example in Claude Cahun´s literary texts and Karen Finley´s monologues. I argue that staged bodies in certain cases, as for example in the performances of Karen Finley, need the support of texts, words, written body-descriptions as to constitute political potentials and challenge normative modes of perception. The first chapter of the dissertation is dedicated to a critical survey into concepts of subversion and into the term “subversive” since the undefined and inordinate use of the terms “subversion” and “subversive” in academia, art, political movements and in the media in my opinion has lead to an emptying of the meaning of the terms. Furthermore I claim that when writing and speaking about subversion, it is necessary to differentiate between subversion as an intentional act and subversiveness as a label produced in the perception. Ultimately this dissertation yields a contribution to the current academic debate about subversion. By drawing on the artistic manifestations produced by the four women-artists, this dissertation reflects upon the diverse possible meanings of subversion as well as upon the difference between an intentional-subversive practice and a practice of ascribing subversiveness.