Bericht für Salon 21 von Veronika Wöhrer
Am 20. April 2007 fand im Van Swieten Saal der Österreichischen Nationalbibliothek ein prominent besetzter Workshop statt, bei dem Dokumentation und Forschungsstand zur Geschichte der ersten Frauenbewegung in Österreich diskutiert wurden. Geladen hatten die Leiterinnen bzw. Mitarbeiterinnen des Projekts „Frauen in Bewegung. Digitales Archiv und Historiographie. Habsburger Monarchie und Österreich von 1848 bis 1938“, das von der frauenspezifischen Dokumentationsstelle Ariadne der Österreichischen Nationalbibliothek und dem Institut für Zeitgeschichte der Universität Wien durchgeführt wird. Der Vormittag stand dabei im Zeichen der Historiographie, der Nachmittag war der Präsentation der beiden digitalen Archive „Frauen in Bewegung“ Nummer 1 und 2 gewidmet.
Nach einer Begrüßung durch die Generaldirektorin der Nationalbibliothek Johanna Rachinger, erzählten die beiden Leiterinnen Helga Hofmann-Weinberger und Johanna Gehmacher von der Entstehung des Projekts.
Brigitta Bader-Zaar gab einen Überblick über Forschungsstand und Desiderata der Geschichtsschreibung über die erste Frauenbewegung in Österreich. Sie betonte, dass die meisten Forschungen nicht in Monographien oder Sammelbänden zum Thema, sondern in einer Vielzahl vereinzelter Artikel zu finden seien und bedauerte, dass einige wichtige Hochschulschriften zum Thema gar nie publiziert worden waren. Sie stellte innerhalb der Forschung einen Fokus auf die deutschsprachigen Gebiete der Habsburgermonarchie bzw. eine Wienzentriertheit fest und regte eine Vernetzung mit Frauenbewegungshistorikerinnen aus anderen Ländern an. Auch eine Aufarbeitung „frühfeministischer“ Ansätze vor 1848 sei wünschenswert.
In der Diskussion wurde auf Diskontinuitäten in der Forschung näher eingegangen: Ob Biographien von „Heldinnen“ oder Strukturen der Frauenbewegung, ob bürgerliche Protagonistinnen (1930-er Jahre) oder Sozialdemokratinnen (1970-er Jahre) vorzugsweise erforscht wurden, hing nicht zuletzt von politischen Überlegungen und gesellschaftlichem Umfeld der ForscherInnen ab.
Außerdem wurde der Wunsch nach einer Synthese geäußert, d.h. einer umfassenden Darstellung zur Geschichte der ersten Frauenbewegung in Österreich, die die bislang erarbeiteten Studien zu regionalen, ethnischen und politischen Gruppierungen innerhalb der Frauenbewegung zusammenführt und kontextualisiert. Es wurde aber auch auf die (nicht zuletzt ressourcenbedingten) Schwierigkeiten hingewiesen, eine solche zu schreiben. Mögliche Annäherungen könnten in Form von Symposien oder Sammelbänden stattfinden.
Natasche Vittorelli beschäftigte sich in ihrem Vortrag mit dem Begriff der „Frauenbewegung“ in der Zwischenkriegszeit. Dieser wurde, so Vittorelli, vor allem im Zusammenhang mit Krise, Wandel und Historisierung gebraucht. Die Zuerkennung des Frauenstimmrechts erforderte eine Neuorientierung und eine Neudefinition der Ziele, vor allem der bürgerlichen Teile der Frauenbewegung. In diesem Zusammenhang wurde schon damals der Begriff „neue Frauenbewegung“ verwendet. In den 1930-er Jahren erfolgten zudem – unter bürgerlichen Frauen wie Sozialdemokratinnen – erste Historisierungen der „ersten Frauenbewegung“, die sich mit der Zeit der Habsburgermonarchie beschäftigten. Sie betonte, dass im Projekt auch nicht-deutschsprachige Länder erforscht werden sollen, was neue Aspekte aufzuwerfen verspricht.
Am Nachmittag wurde die digitale Sammlung „Frauen in Bewegung“ präsentiert, in der Texte und Bilder zu Personen, Zeitschriften, Vereinen, etc. der ersten Frauenbewegung in Österreich abrufbar sind. Martina Gugglberger stellte die Webpage vor und beschrieb den Aufbau, Inhalte und Benutzungsmöglichkeiten. In der Diskussion wurde begrüßt, dass die Biographien der dargestellten Frauen durch verschiedene Lexika-Zitate wiedergegeben wurden, wodurch Widersprüche und Brüche in den Quellen sichtbar werden.
Lydia Jammernegg stellte danach die Weiterentwicklung der Homepage im neuen digitalen Archiv vor. Außer dem Einbezug der Zwischenkriegszeit wird auch die Struktur der Homepage erneuert, beispielsweise um den Bereich „Kontext“, der Hintergrundinformationen zur Geschichte der ersten Frauenbewegung liefern wird. Statt einer Hypertextpräsentation wird es sich nun um eine Datenbank handeln, in der gezielter gesucht werden kann.
In der Abschlussrunde wurde neben konkreten Anliegen in Bezug auf die Webpage (z.B. nach nicht-deutschsprachigen Einträgen) der Wunsch nach weiterem Austausch und Vernetzung geäußert. Zudem wurden Pläne für eine mögliche Erforschung des Archivs des bis heute bestehenden Bundes österreichischer Frauenvereine gefasst. In den lebhaften Diskussionen nach jedem Vortrag entstand der Eindruck, dass die hier gebotene Gelegenheit, viele (einzeln gesammelte) Informationen und Forschungen zu Frauenbewegungsgeschichte in Österreich auszutauschen und weiterzudiskutieren, freudig angenommen wurde und ähnliche Veranstaltungen bzw. weitere Diskussionsforen zum Thema gern gesehen wären.
Ariadne – Frauen in Bewegung – Diskurse und Dokumente der österreichischen historischen Frauenbewegung 1848-1918