Der Erste Weltkrieg in Selbstzeugnissen – Auszüge aus Beständen der Sammlung Frauennachlässe Nr. 19: Tagebuch von Bernhardine Alma, 18. und 25. Oktober 1914, Wien

Tagebuch von Bernhardine Alma, 18. Oktober 1914Bernhardine Almas (geb. 1895) bemühte sich seit Beginn des Ersten Weltkrieges um die Erlaubnis ihrer Eltern, sich im Kriegshilfsdienst in der Verwundeten-Pflege engagieren zu dürfen. Im Oktober 1914 stimmten sie schließlich dem Besuch eines entsprechenden Kurses zu, den sie nun abends besuchte. In ihren Tagebüchern stellt sich Bernhardine Alma zudem als zunehmend gläubige Katholikin dar, indem sie etwa regelmäßig Kirchenbesuche und Beichtgespräche vermerkt. Ihr Vater Maximilian Alma/Altmann (geb. 1864) war als junger Mann vom mosaischen zum katholischen Bekenntnis konvertiert.

Sonntag, abends.17. Oktober
Ach, heute ist schon der 18! und Sonntag abends. Ich weiß nicht, wie ich zu solchem Irrtum kam. Übrigens irrt der Mensch, so lang er strebt und ist nur der Irrtum des Lebens. – Das Wetter verhält sich schön, aber es ist noch immer Krieg. Das nebenbei die Eltern einen anfangen, ist zu der großen Zeit kleinlich. – Gebeichtet habe ich gestern nicht, da ich umsonst in die Kirche wartete und zulange nicht bleiben wollte. Der Barmherzige Bruder hat gestern bedauert, noch keinen Hl. Bernhard [vermutlich ein Andachtsbild] zu haben. Und abends war mein Kurs! Natürlich hatte ich noch Zeit die Betten etz zu machen. Mein Kurs ist reizend. Es sind viele Hörer und -innen, der Professor, etwas Ähnliches und ein junger Bursch, an dem probiert wird. Das Vortragen schon ist sehr interessant, aber das Praktische liegt mir halt noch viel mehr. Da ich das 2. Mal das 1. Mal war, meldete ich mich bei den praktischen Versuchen nicht, werde es aber nächsten Samstag tun.

Ach, und die Prüfung am Schluß! – Aber dafür brauch ich ein Buch um 40 h. – Bisher habe ich davon nichts gesagt. Da sich die Mama aber sehr für den Kurs interessiert, habe ich Hoffnung darauf, was ich ja so sehr will! – Es ist ja entzückend, daß ich hingehen kann und wenn ich dann ein Zeugnis habe, ein gutes natürlich, habe ich auch viel mehr Aussicht, zu Verwundeten zu kommen. Was in einer Woche ist? – Habe ich da schon das Buch? Wie war es da am Samstag? – – – Was in einem Monat sein wird? Was wird bis zu meinem Geburtstag geschehen?! – Heute war Kirchweifest, daher eine feierliche Messe, nach deren Ende Knabenhörtler (?) reizend die Volkshymne bliesen. Heute wurden Oper und Burg eröffnet. Zu Marius [jüngerer Bruder, geb. 1902] kommen der Arthur N. und Carlo N. viel. Heute spielte Papa wunderschön Klavier. Papa sollte seine Sachen doch aufschreiben! – Ich bin auf meinen künftigen Gatten sehr neugierig. Ich möchte mein Buch für die Prüfung möglichst bald haben! – Das will ich so sehr!!! –

[…]

Samstag. 25.Oktober 1914. abends.
„Dich grüßend, nahm‘ ich Abschied auf von dir!“ Nämlich bis Donnerstag, resp. Freitag. Der Doktor sagte nämlich gestern, daß er, nachdem der Krieg ihn brauche, schon Donnerstag die Prüfung mache. Das ist schrecklich schnell gekommen. Ich habe sehr viel zu lernen, denn meine häuslichen Pflichten werde ich nicht vernachlässigen, das ist doch klar. Dann möchte ich auch wissen, wie die Prüfung war, wenn ich wieder hereinschreiben. Ob ich sie bestanden habe? Vorzüglich bestanden. Hilf mir mein Gott! Allein kann ich sie nicht bestehen und mir liegt so viel daran, so sehr viel! – – – Jetzt sind schöne, ruhige Tage, kühl und mild. Tage, an denen man sich wohl fühlen möchte. Papa spielt entzückend Klavier, die Beatrix [vermutlich eine selbst komponierte Operette]. Nach dem Furchtbaren des Krieges wirkt die Kunst doppelt schön. (…) Cora [die ältere Schwester, geb. 1890, deren Verlobter Sergius als Soldat eingezogen war] ist grauslich, wenn es läutet und nicht der erwartete Briefträger ist. – Nun schließe ich. Ich möchte die Prüfung gut bestehen! – Oh, wenn sie nur schon vorbei wäre – vorzüglich vorbei! – Sie geht mir ja so, so, so nahe! Wenn ich wieder herein schreibe – – !!!! –

Sammlung Frauennachlässe NL 09
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Voriger Eintrag aus dem Tagebuch von Bernhardine Alma am 15. September 2014

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  • Zum Tagebuch von Bernhardine Alma im Ersten Weltkrieg siehe auch: Ulrike Seiss, “… ich will keinen Krieg oder als Krankenschwester mit!” Selbstinszenierungen, Kriegsrezeption und Männlichkeitsbilder im Tagebuch einer jungen Frau im Ersten Weltkrieg, Wien, Diplomarbeit, 2002 sowie weiters https://ww1.habsburger.net/de.

Zitation dieses Beitrages: Der Erste Weltkrieg in Selbstzeugnissen – Auszüge aus Beständen der Sammlung Frauennachlässe Nr. 19: Tagebuch von Bernhardine Alma, 17. und 25. Oktober 1914, SFN NL 09, unter: URL