Im zivilen Leben hatte der Wiener Georg „Schurlei“ M. (geb. 1884) als Friseur gearbeitet. Im Juni 1916 wurde er bei Gefechten bei Astrachan an der Wolga verletzt in ein Kriegsgefangenen-Spital eingeliefert. In den folgenden Wochen schrieb der 32jährige wiederholt an seine Verlobte Juli „Julei“ G. (geb. 1881). Er berichtete von seinen Verletzungen und der Genesung, behauptete dabei, dass es ihm „gut“ gehen würde, versuchte die Freundin zu beruhigen und bat um die Zusendung von Kleidung und Geld. Die vielfachen Wiederholungen der Inhalte auf den insgesamt 18 erhaltenen Poststücken deuten darauf hin, dass Georg M. davon ausgegangen ist, dass nicht jedes auch in Wien ankommen würde.
8. Juni 1916 1
Mein liebstes Julei!
Gott gäbe, dass Du diese Karte bekommen mögest. Teile Dir höfl.[ich] mit, dass ich am 10. Juni verwundet und dadurch in Gefangenschaft kam. Meine Verletzungen sind nicht schwer. Bekam drei Schüsse in die Füsse. Durchschuss der linken Wade, wahrscheinlich mit Sehnenverletzung. Durchschuss der linken Ferse, Durchschuss der rechten Kniekehle. Alles Ohne Knochenverletzung, was man noch ein Glück nennen muss. Bleibe ruhig und bei guter Hoffnung meine Julei. Befinde mich auf dem Wege in das Spital. Wahrscheinlich nach Moskau. Werde dann bald wieder gesund sein. Es geht mir gut.
Herzlichste Grüsse an alle Verwandten und Bekannten. Dich innigst Küssend bleibe ich
Dein Schurlei
Moskau 21. VI. 1916
Mein liebstes Julei!
Teile Dir höfl. mit, dass ich gestern hier ankam und heute wieder wegtransportiert werde. Wurde verwundet und dadurch kam ich in Gefangenschaft. Ich erhielt drei Schüsse, zwei in den linken, einen in den rechten Fuss. Sind aber nur leichte Verletzungen und werde bald wieder hergestellt sein. Es geht mir gut. Sei ruhig, mein Julei, und guter Hoffnung.
Herzlichste Grüsse an Mutter, alle Verwandten und Bekannten. Im Geiste stets bei Dir, küsse ich Dich innigst und bleibe Dein
Schurlei
Astrachan, 4. Juli, 1916 3
Mein liebes Julei!
Mein Befinden im gleichen. Zwei Schüsse sind geheilt, der dritte macht mir noch Beschwerden. Sonst bin ich gesund und geht es mir gut. Wenn es leicht möglich ist, so bitte ich Dich, Julei, mir etwas Geld zu senden. Etwa K. 20-. Aber nur wenn leicht möglich. Schreibe mir nur doppelte rote Kreuz-Karten und alles in Lateinschrift, Julei. Bleibe mir gesund und wohl, mein Julei.
Herzlichste Grüsse an Mutter, alle Verwandten und Bekannten.
Es küsst Dich innigst
Dein Schurlei
Astrachan, 7. Juli, 1916 4
Mein liebes Julei!
Mein Befinden im gleichen. Der dritte Schuss heilt sehr langsam. Sonst bin ich gesund und geht es mir gut. Wenn ich nur wüsste, wie es Dir geht. Auf meiner Karte vom 4. D. ersuchte ich um etwas Geld, etwa 20,- K. Aber nur wenn leicht möglich. Schreibe nur doppelte rote Kreuz-Karten und alles in Lateinschrift.
Herzliche Grüsse an Muter Alle Verwandte und Bekannte.
Innige Küsse von
Deinem Schurlei
Astrachan, 11. Juli, 1916 5
Mein liebes Julei!
Die Heilung macht nun gute Vortschritte. Auch der dritte Schuss. Bin sonst gesund und geht es mir gut. Sei so gut und sende mir eine Winter-Unterhose, ein Unterhemd und Fusslappen. Auf der Karte vom 4. D. ersuchte ich um etwas Geld, etwa K. 20,- wenn leicht möglich. Schreibe nur doppelte rote Kreuz-Karten und alles in Lateinschrift. Hoffe Dich gerne bei Gesundheit.
Herzliche Grüsse an Mutter, alle Verwandten und Bekannten.
Es küsst Dich innigst
Dein Schurlei
Astrachan, 14. Juli, 1916 6
Mein liebes Julei!
Die Heilung macht gute Vortschritte. Werde nun bald die Krücken weggeben können. Bin sonst gesund und geht es mir gut. Auf meiner Karte vom 4. D. ersuchte ich um etwas Geld, etwa K. 20,- wenn leicht möglich und auf derselben vom 11. D. ersuchte ich um eine Winterunterhose, ein Unterhemd und Fusslappen. Bleibe mir gesund, Julei. Schreibet nur doppelte rote Kreuz-Karten und alles in Lateinschrift.
Herzlichste Grüße an Mutterl, alle Verwandten und Bekannten.
Innigste Küsse sendet Dir
Dein Schurlei
Sammlung Frauennachlässe NL 74
Nächster Eintrag aus der Korrespondenz von Georg M. am 22. Juli 2016
Die Korrespondenz des Paares Juli G. und Georg M. wurde im Umfang von 18 erhaltenen Schreiben 2006 auf einem Wiener Flohmarkt gefunden. In den Dokumenten genannte Namen werden aus Datenschutzgründen anonymisiert.
Zitation dieses Beitrages: Der Erste Weltkrieg in Selbstzeugnissen – Auszüge aus Beständen der Sammlung Frauennachlässe Nr. 78, Kriegsgefangenenkarten von Georg M. an seine Verlobte Julie M., Datum, SFN NL 74, unter: URL