Die ausgebildete Lehrerin und Klavierlehrerin Maria E. (geb. 1890) war seit 1913 mit einem Juristen verheiratet. Er war seit Anfang 1915 zum Kriegsdienst eingezogen. Im Herbst 1913 wurde ihr ältester Sohn Adolf geboren, im August 1914 Heribert, genannt „Nusserl“, 1915 die kleine Hedwig. Für 1917 wurde ein viertes Kind erwartet. Maria E. hat für jedes ein ‚Müttertagebuch‘ geführt. In dem Buch für „Nusserl“ beschrieb die Steirerin 1916 auch die zeitgenössischen Weihnachtsgeschenke: der 2,5-jährige erhielt einen Satz Zinnsoldaten, die er von seinem wenig älteren Bruder offenbar bereits kannte.
10. Dezember [1916]
Zum Jubel der Kleinen kommt Papa zurück. „Papa da! Papa da!“ freut sich Nusserl.
Nun sind die Kinder wieder mehr im Zimmer und ich habe sie viel um mich. Leider bin ich jetzt so nervös, oft fühle ich Schwindel und Üblichkeiten, worunter die lebhaften Kleinen leiden. Nussi zeigt viel Herz, wenn Mama Weh, weh hat. – Manchmal spiele ich Klavier und singe auch hin und wieder. Da kommt er gleich her und will beides selber versuchen und freut sich über seine „Dissonanzen“.
Heiliger Abend: Wieder ist jubelnde Kinderfreude um mich. Weihnachten strahlt aus allen Augen, die lichten Gewänder leuchten neben der Krippe, die Heribert sehr lieb hat. – Unser zweiter bekommt eine Schachtel Zinnsoldaten und eine Trompete. Nun hat er selber seine geliebten Soldaten, denen er ununterbrochen Musik macht, mit denen er redet und befiehlt, bis seine Augen müde sind und süßer Schlummer dem Spiel ein Ende bereitet.
31. Dezember: Heribert beschließt das Jahr mit einer sehr unruhigen Nacht. Wahrscheinlich hat die „Oßmama“ zuviel gute Pappa [Süßigkeiten oder Süßspeisen] hergegeben.
Sammlung Frauennachlässe NL 174
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Die Verwendung der Namen der Schreiber/innen und ihrer Familien folgt den vertraglichen Vereinbarungen der Sammlung Frauennachlässe mit den Übergeber/innen. In den Dokumenten genannte Namen dritter Personen werden aus Datenschutzgründen anonymisiert. Das Müttertagebuch von Maria E. liegt in der Sammlung Frauennachlässe – in Auszügen – als Abschrift vor.
Zitation dieses Beitrages: Der Erste Weltkrieg in Selbstzeugnissen – Auszüge aus Beständen der Sammlung Frauennachlässe Nr. 90, Tagebuch von Maria E., 10. bis 31. Dezember 1916, SFN NL 174, unter: https://salon21.univie.ac.at/?p=24270