Der Erste Weltkrieg in Selbstzeugnissen – Auszüge aus Beständen der Sammlung Frauennachlässe Nr. 113: Briefe von Elisabeth Podpera aus Wien an ihren Sohn Viktor, 5. bis 18. September 1917, Wien

1917 09 05Elisabeth Podpera (geb. 1865) betrieb eine Wäscherei in Wien-Simmering. Das Unternehmen führte sie als Witwe alleine. Von der Feldpost-Korrespondenz mit ihrem Sohn Viktor („Wiki“, geb. 1896) sind drei Briefe erhalten, die sie im September 1917 geschrieben hat. Er war zu der Zeit in der Tragtierreserve der Mannschaftsersatzabteilung der 7. A. K. eingesetzt. In ihren langen Briefen beschrieb die 52-jährige Wienerin detailliert ihre aktuelle Einkommens- und Versorgungssituation. Sie schilderte das Befinden der Haus- und Nutztiere und legte auch geschäftliche Entscheidungen dar. Dabei ging es u.a. um die Frage, ob sie ein aus dem Militärdienst ausgemustertes Pferd kaufen sollte. Gleichzeitig sprach sie an, wie offen sie ihrem Sohn über ihre Sorgen schreiben könne.

5. September 1917
[zweites Blatt geschrieben auf vorgedrucktem Rechnungspapier]
Lieber Wiki
Mit Herzlichen grüßen beginne ich das Schreiben in Hofnung das Dich es gesund antrefen wird was uns betrift sind wir noch alle gesund ich habe dir schon lange versprochen ich schreibe und kome nicht dazu jeden Sontag ist immer was bei uns diesen Sontag war der Pepi Onkel bei uns dan bin ich ins Kino gegangen so kom auch nicht dazu also […] wirst villeicht doch einen Urlaub bekommen wen Du komen möchtest so wäre für etwas schon gesorgt wir haben jetzt für uns Brod weiß für Franzi u. Fani [die Geschwister des Empfängers] haben wir zu schlak karten [vermutlich Zuschlagkarten] bekomen so wäre schon genug auch haben wir von der W. das Erdäpfl Fuhrwerk dah bringd der Franzi sovil zu Haus was wir brauchen so ist etwas in Haus aber dafür habe ich jetzt gar kein Schmalz wie auch kein Kernfet ich weis nicht mit was ich kochen sol dan stel dir for die kleinen Schweinll [Ferkel] die was ich gehabt habe wie du zuhaus warst 8 Stük sind ale krank sind auch schon bis auf 3 hinworn [verendet] auch die sind nicht zum erhalten haben auch ale den Durchvall kanst Dir denken was ich wieder zum anschaun habe wis noch 6 waren häte ich 200 K bekommen, ich wollte 240“ gab es nicht her dan komt gar [niemand] aber die ersten 2 haben nicht die Krankheit sonst hätte ich wol um jede Preis hergeben dan haben die mit diesen Zeik [Zeug] angefank jetzt ist das ganze Geld verloren wie ich sag ich kann Dir keinen antren Brief schreiben als so eine immer lauder verlust dan fragst ob ich den H. zallen kann das kann ich schon aber sonst kann ich Dich nicht als lauder [Perzent] wir müssen nur Arbeiten für antere und wir bleibt gar kein Heller mit dem Hassen [Kaninchen] hat nur die Graue Junge die {antre} was zu früh geforfen [geworfen, Junge bekommen] hat dieses mal zu der Zeit geworfen hat aber die Jungen verhungern lassen hat kein Nest gemacht hat alle hinaus geworfen und die antren haben nicht aufgenommen so habe ich nur von der einen grauen die jungen ich will auch nur zwei Weiberl [weibliche Hasen] und das den schwarzen Kini [vermutlich „König“ als Name für den männlichen Hasen] behalten Du kanst gar nicht glauben wie schlecht es mit dem Hassenfuter ist es ist keine […] auch kein Gras gar nichst ich weis nicht hat Dir die Fani schon geschrieben das der Waltl [vermutlich ein Hund] fortgelaufen ist und nicht mehr zurückgommen ist /ist/ schon 6 Wochen das er forht ist jetzt weiß ken ich nichts neues bis wieder eine […] Kumer über mich komt also es wird schon wieder anters wern vielleicht in der antren Welt.
Mit vilen herzlichen Grüßen schließe ich mein Schreiben
Deine Mutter
Auch viele Grüße von der H. Lisi und H. Anna

9. September 1917
Lieber Wiki
In anfang {im} Schreiben Grüße ich Dich auf das Herzlichste das ich Got sei Dank noch gesund bin was ich auch von Dir wünsche. L. W. [vermutlich „Lieber Wiki“] der Brief von 5/9 wird Dich wol nicht auf das beste freuen den dah habe ich wieder lauter Jamer und traurigkeiten /./ aber es ist ja nicht so schlecht wir haben […] [rechtvil] Furhwerk das der S. glaubt ich sol ein zweites Pferd kaufen sol ich sagte das ich kein Geld habe sagd er mir das möchte sich schon machen lassen villeicht möchte er selbst das Geld hergeben aber dan fel felt halt der zweite Kutscher so muß man halt wieder abwarden den der Mensch denkt und Got lengt es ist so beser wen man ales /läß/ wis komt Du schreibst immer das der Franzi [der Bruder des Empfängers] Dir nicht schreibt er hat wirklich wen ich Zeit aber wen der einen Brif Schreiben sol so braucht er einen halben Tag er fahrt jetz in Sontag auch bei der W. mit Erdäpfl und haben ich war gestern den 8/9 in Enzerstorf [Maria Enzersdorf in der Nähe von Wien] auch die Resi T. war auch mit bin schon um 5 Uhr früh von zuhaus weggegangen und mit der ersten Tramwei [Tramway, Wienerisch für Straßenbahn] auf die Sütbah [Südbahn, Eisenbahnverbindung nach Süden] wie ich nach M. Enzerstorf komen bin waren noch ale Geschäfte zugespert Kaffee- Gasthäuser ich mußte was wirglich lachen das ich schon gar so früh tran war die Resi T. ist etwas später weggefaren sind aber schon um halb zwölf ½ 12 Uhr zuhause gewesen der K. Franzl hat von Rusland eine Karte geschrieben er erwende [erwähnte] aber gar nichts das Du ihm geschrieben hast jetzt weis man nicht hat er die Karte gar nicht gekommen er läßt Dir auch schön grüßen er fragt um den H. Karl seine Atres [Adresse] er möchte im Schreiben Die Fani [Schwester des Empfängers] mus auch gleich schreiben der wird doch wißen was heißt Gefangen sein Der {ist} schon 3 Jahre in Rusland es wird doch noch ein Wiedersehen geben das die armen Kerle zuhaus kommen also jetzt weis /./ nichts neues mer so Schließe ich mit villen H. Grüßen das Schreiben
Deine Mutter

18 September 1917
Lieber Wiki
In anfang meines Schreiben mache ich Dir zuwißen das wir ale noch gesund sind was ich auch von Dir hofe heute habe ich von Dir den Brief von 14/9 mit Freude erhalten auch den 15/9 war ein Zugsfürer bei uns und hat einen Brief gebracht wo Du schreibst wegen dem Gesuch ist aber der S. in [Düreholz] bei seinen Großvatter wen er komt so werden wir gleich schreiben auch diesen Brif habe ich bekomen wo Du mir auf den Brif wo ich Dir von lauder jamer und traurigkeiten geschrieben habe staune auch das Du schreibst ich sol Dir nur die warheit schreiben dah ich doch immer jeden Kumer schreibe mach mir manchmal auch vorwürfe das Du mit meinen schreiben gar keine Freude hast Aslo mit den Fuhrwerk geh es noch immer gut auch unser Röslein [Pferdchen] ist doch immer gesund und ich traue es wirklich nicht einmal recht schreiben – vielleicht wird schon bis morgen etwas sein also hoffe ich das nicht wieder die Frau Sorge bei mir sein wird also den neuen Kessl habe ich auch schon bekommen habe hat 105 K gegost jetzt haben wir gar nicht gewust wo hin stelen so haben wir im lings beim die alten Kessl wo ihmer der Coks [Koks] war Hat auch einen gutn zuk [Zug; der Kessel zieht gut, d.h. er funktioniert gut] aber den alen mus ich erst verkaufen Sontag war eine Frau wollte die Sudmaschine und den Bügloffen kaufen sie sagde der Schwiegersohn wird erst kommen ich werde auch verkaufen wenn sie es nehmen da doch das nicht besser wird Wir haben schon ein Herbstwetter was habt ihr dort für ein Wetter der Zugsfürer sagd das /./ warscheinlich von dort fort kommen werde vielleicht wird der Brif nicht mer hinkommen jetzt ist doch wieder der Winter voraussichtlich das irh in Felt mitmachen müßt wenns nur gesund bleibst das alles aushalten ganst ist dort auch recht vil Obst wie bei uns so viel Obst war schon vielle Jahr nicht wie heuer aber doch ihmer genug teuer Äpfel 1 K Zwetschken 1K 20 will aber doch weniges Einkochen habe auch 20 Kilo Parateis [Paradeiser, Tomaten] Einkocht auch merere Gläser Birnen auf ein Mamalat [Marmelade] mir haben auch immer etwas Obst zuhause auch die Erdäpfl gehen nicht aus ich glaube auch das ich schon ein bar Dega [ein paar Dekagramm] zugenommen hab Brod haben wir auch ihmer genug so wär es doch besser wie Du ihn Urlaub warst war gar nichts zuhause. Heute war ich in St. Marx [äußerer Stadtteil von Wien, wo sich der zentrale Schlachthof befunden hat] da war eine Pferde Liqitatzion [vermutlich Versteigerung] von Pferd die vom Felt zurük kommen sind aber so teuer das man nichts kaufen konnte der Schorschonkel [Onkel Georg] sagd ich sol auf das Bezirkamt gehen und sol sagen das ich Felter gepachtet habe da nur Landwirthe berechtigt sind zu kaufen habe aber keine bewiligung bekomen das genügt nicht den es ist ser geferlich ist aber /aber/ onehin nicht zu kaufen der Onkel sagt geh nur hinein das du es selbst siechst waren wirglich so unglaublich teuer um 3 bis 500 k sints ausgerufen sind aber keine anters verkauft worden als 15 bis 20 und 2500 K hinauf kommen es wern schon schöne Resl [Rösser] dabei die mir gefallen häten sind recht mager aber doch gute Füße häten nur recht vil Futter brauchten sie wen man kein Geld hat so ist man doch ihmer nimant aber villeicht wird es doch noch wieder anters werden das auch ich mit Geld in der Hand kaufen kann neues weis ich jetzt nichts nur daß ich jetzt gerate [das] [auf] der Fuchs hoffe hat auch einen Pferd gekauft um 150 K ist aber 5 Jahre alt hat auch gute Füße den antern hat er den Fleischhauher verkaufen müßen er hat nicht mer aufstehen gönen Du weißt wie Du die 13 Tage zuhaus warst hat er ihm kauft mit dem Hausvermitern ist gar keine Frage so muß alles bleiben wie es ist wen Du Urlaub bekomen hätest so hätten mir hättest Du villeicht etwas anwerfen könen aber ein Maurer ist nicht zum bekomen und wen so ist er nicht zum zallen.
Also viele Grüße von der H. Lisi Anna B. und [Linsche] auch Franzi u Fani [die Geschwister des Empfängers]
Mit vielen Herzlichen Grüßen
Deine Mutter

Sammlung Frauennachlässe NL 34
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Die Ortographie der Schriftstücke wurde beibehalten.

Zitation dieses Beitrages: Der Erste Weltkrieg in Selbstzeugnissen – Auszüge aus Beständen der Sammlung Frauennachlässe Nr. 113, Feldpostschreiben an Viktor Podpera, Datum, SFN NL 34, unter: URL