Gender-Ringvorlesungs-Tagung der mdw: Kunst/Kontext. Wissen und Geschlecht in Musik . Theater . Film, 12.-13.04.2018, Wien

mdw. Universität für Musik und darstellende Kunst Wien (Web)
Zeit: Do. 12. April und Fr. 13. April 2018
Ort: Universität für Musik und darstellende Kunst Wien
Beiträge von Andrea Ellmeier, Doris Ingrisch, Claudia Walkensteiner-Preschl, Andrea Roedig, Sabine Kock, Nina Kusturica, Petra Wetzl, Li Gerhalter und Georg Schinko, Katrin Hassler, Christian Glanz sowie Michael Hudecek
Gesellschaftliche, politische, ökonomische Gegebenheiten entscheiden oft darüber, ob es zu einer kontinuierlichen Kunstausübung kommen kann oder nicht. Genau dieses Moment, ob es sich für eine Karriere als Musiker_in, Theatermacher_in, Filmemacher_in ausgehen wird oder nicht, gemeinsam mit der Kategorie Geschlecht und anderen intersektionalen Kategorien wie Ethnie, Alter, Behinderung, sexuelle Orientierung sind jene Herausforderungen, denen in dieser neunten interdisziplinären Gender-Ringvorlesungstagung der mdw anhand sozialhistorischer wie zeitgenössischer Aspekte nachgegangen werden soll. Prekäre Lebens- und Arbeitssituationen von Künstler_innen sind seit je all gegenwärtig – wurden aber in Österreich seit 2008 (Schelepa/Wetzl/Wohlfahrt 2008) seitens des Staates seit 10 Jahren nicht mehr beobachtet. Zu den letzten Amtshandlungen des vorigen Kunstministers Thomas Drozda gehörte es, eine Nachfolgestudie der 2008er-Studie über die soziale Lage von Künstler und Künstlerinnen in Österreich in Auftrag zu geben. Vor 2008 war in kürzeren und regelmäßigen Abständen abgefragt worden, unter welchen Lebens- und Arbeitsbedingungen Künstlerinnen tätig sind und wie sie damit umgehen.
Programm
Do., 12. April 2018

  • 14:00-14:45 Uhr: Andrea Ellmeier, Doris Ingrisch und Claudia Walkensteiner-Preschl (mdw): Einführung
  • 15:00-16:15 Uhr

Andrea Roedig (freie Autorin und Herausgeberin Wespennest)
Du musst nur die Richtung wechseln. Über die seltsame Logik von Angebot und Nachfrage und die Verwertbarkeit von Kunst-, Kultur- und Geisteswissenschaften
Wir leben in einer Wissensgesellschaft – was so viel heißt, dass heute Wissen als Wertschöpfungsinstrument gilt und am Markt verkauft werden kann. Gilt das aber auch für die Künste und für die Geisteswissenschaften, die „weichen“, also irgendwie „weiblichen“ Wissens- und Praxisfelder? Sie gelten immer noch als „brotlos“ und sind notorisch unterbezahlt. Der Vortrag beschäftigt sich mit der Frage, warum Geisteswissenschaften und ihre hoch komplexen, arbeitsintensiven Gegenstände wie Literatur, Musik, Kunst, Denken/Theorie und Sprache in den meisten Fällen keinen angemessenen Preis erzielen, obwohl sie doch sehr wohl Wert generieren. Von Mozart, seiner Musik und dem Wissen über ihn leben heute immerhin ganze Industriezweige. – Doch wollen wir überhaupt Geld verdienen? Verkaufen wir uns, wenn wir verkaufen?

  • 16:30-18:00 Uhr

Sabine Kock (Philosophin, Geschäftsführerin von SmartAt e.Gen.)
Kunst und Kultur neu framen: Cooperative(n) als neue Form solidarökonomischer Arbeit
In Kunst- und Kultur herrschen in weiten Teilen kurzfristig wechselnde, Projektbezogene Arbeitsverhältnisse vor. So bildet der Sektor eine merkwürdig erprobte Avantgarde der Vereinzelung von Subjekten im Rahmen der Erosion langfristiger Beschäftigungsverhältnisse. Doch aktuell wächst weltweit wie auch in Österreich die Zahl neuartiger cooperativer Initiativen, in denen Wissen und Ressourcen geteilt und neue solidarökonomische Formen von Arbeit erprobt und praktiziert werden. Der Beitrag möchte das Modell Genossenschaft als nachhaltige Gegenfigur zur Erosion des Arbeitsmarktes, globale Gender-Aspekte und aktuelle Perspektiven genossenschaftlicher Projekte sowie konkrete Möglichkeiten genossenschaftlichen Arbeitens im Kunst- und Kultursektor vorstellen.

  • 18:15-19:30 Uhr

Nina Kusturica (Regisseurin, Produzentin NK Projects)
Wer darf Geschichten erzählen? Die Wechselwirkung zwischen den Arbeitsbedingungen und dem medialen Bild auf unsere Gesellschaft
Im Kunst- und Kulturbereich wird vorwiegend im freiberuflichen Kontext gearbeitet. Obwohl es sich um öffentliches Geld handelt, wird dieses in der Kunstproduktion in Bezug auf Geschlecht und andere soziale Kategorien nicht gerecht verteilt. Das führt zu einem Existenzkampf und einem starken Ungleichgewicht in der Kunstproduktion. Die Geschichten, die laufende Bilder und Töne erzählen, und über unterschiedlichste Kanäle, von der großen Kinoleinwand bis zu kleinem Smartphone, in die Welt hinausgetragen werden, sind stark meinungsbildend. Hier sehen wir gängige Stereotype und Klischees, die selten hinterfragt werden und sich über die Filme in unserer Gesellschaft widerspiegeln. Es ist ein Teufelskreis, der Ungerechtigkeit und Eintönigkeit sowohl hinter als auch vor der Kamera bedient.
Es kann nicht nur darum gehen, die Arbeitsbedingungen in Bezug auf Geschlechter-Gerechtigkeit zu verbessern, sondern auch darum in der Abbildung der Gesellschaft unserer Zeit und Realität Rechnung zu tragen.
Im Rahmen des Vortrags wird bezugnehmend auf die aktuellen österreichischen und internationalen Studien der Frage nachgegangen, wie aus diesem gesellschaftlichen Korsett ausgebrochen werden kann und wie es zu einem diversen, unserer Gesellschaft entsprechenden oder sogar visionärem künstlerischen Schaffen kommen kann. Von einer aktivistischen, künstlerischen Praxis, über das Arbeiten im Mainstream, bis zu differenzierten wissenschaftlichen Analysen, gibt es unterschiedlichste zukunftsweisende Zugänge, die es auszuprobieren und kennenzulernen gilt.
Fr. 15. April 2018

  • 9:15-10:30 Uhr

Petra Wetzl (Sozialforschung Wien, angefragt)
Zur sozialen Lage von Künstlerinnen und Künstler in Österreich: Herausforderungen, Unterschiede zwischen den Kunstsparten und Diversität (Arbeitstitel)
Petra Wetzl ist Co-Autorin der Künstler_innenstudie 2008 über die soziale Lage von Künstlerinnen und Künstlern und aktuell (2018) Hauptverantwortliche für eine Nachfolgestudie.

  • 10:45-12:00 Uhr

Li Gerhalter und Georg Schinko (Universität Wien)
Beruf: Musiker/in – individuelle Möglichkeiten und historische Realitäten
Kunst „zu studieren“ und „von Beruf“ Künstler/in zu sein, stellt für viele Kunstschaffende heute eine gewisse Selbstverständlichkeit dar. In diesem Vortrag wird der Frage nachgegangen, welche Diskussionen dazu in der Vergangenheit geführt wurden: Ob denn Musizieren oder Singen überhaupt ein „Beruf“ sein kann, wurde in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts in Österreich von verschiedenen Seiten erbittert ausdiskutiert. Manche Formen hatten dabei größere Chancen, als „richtig“ zu gelten, was sich wiederum stark auf die individuellen Chancen der jeweiligen Musiker/innen auswirkte – und teilweise wohl noch auswirkt?
Eine Möglichkeit, sich historischen Themen anzunähern, ist es, Autobiographien, Tagebücher, Briefe etc. aus der jeweiligen Zeit zu lesen. Darin können verschiedene gesellschaftliche Positionen und Perspektiven aufgespürt werden, die unter anderem von den Kategorien Geschlecht oder sozialer Herkunft geprägt sind. Aufgebaut auf konkreten Fallbeispielen werden wir jene Spuren der Geschichte der „Berufwerdung“ des Musizierens vorstellen, die in verschiedenen Selbstzeugnissen zu finden waren. Ein Fokus richtet sich dabei etwa auf die Frage, ob und wie über Bezahlung geschrieben wurde.

  • 12:15-13:30 Uhr

Katrin Hassler (Universität Lüneberg)
Kunst und Gender
Informationen unter unter dem folgenden Link.

  • 15:00-16:15 Uhr

Christian Glanz (mdw)
Genderaspekte in den Mahler-Narrativen
Der Beitrag versucht der Frage nachzugehen, wie abseits vom „Alma-Komplex“ Genderaspekte die wissenschaftlichen und populären Mahler – Narrative begleiten. Ein Schwerpunkt wird zunächst Natalie Bauer-Lechner und ihre Zeuginnenschaft sein, ein anderer Mahlers familiäres Umfeld, besonders das Bild seiner Schwester Justine („Justi“). Weiters möchte ich der Frage nachgehen, wie sich Genderaspekte in der frühen Mahlerliteratur und der frühen Rezeptionsgeschichte auswirken. Abschließend soll auch die Frage nach der Relevanz des Kontexts in „Mahler-Filmen“ kurz erörtert werden.

  • 16:30-17:45 Uhr

Michael Hudecek (Filmakademie Wien, mdw)
Filmschnittkunst – Lebenskunst. Über die Herausforderungen des Berufs Filmeditor*in
Filmeditor*innen sind hochsensible Wesen, die ihre Sensoren dafür einsetzen, die Besonderheiten und Eigenarten der Welt durch die Kunst der Filmmontage abzubilden. Ein ausgeprägter Sinn für übergeordnete Zusammenhänge, hohe Empathiefähigkeit, erweiterte Wahrnehmung von Reizen und deren besondere Verarbeitungstiefe sind dabei wichtige Eigenschaften. In der Bewältigung der täglichen Anforderungen des Lebens können diese jedoch zur Herausforderung werden. Möglicherweise ein Grund dafür, dass es für Editor*Innen schwierig sein kann, mit ausreichendem Selbstverständnis und Selbstbewusstsein ihren angemessenen Platz im Berufsumfeld zu finden.
Im Sinne einer intersektionalen Gender-Betrachtung, in der nicht nur das Geschlecht sondern die besonderen Charaktereigenschaften im Vordergrund stehen, soll ein Blick auf die Arbeitssituationen und die damit verbundenen Herausforderungen geworfen werden.