Ist eine europäische Frauengeschichte möglich? – Kommentar von Edith Saurer

Franziska de Haans Befund über Hierarchien in der europäischen Frauen- und Geschlechtergeschichtsschreibung, der sich auf die Geschichtsschreibung generell erweitern ließe, kann ich nur zustimmen. Gewiss, „those in the center or core, have the power to define the world“. Allerdings sollte auch bemerkt werden, dass die Geschichtsschreibung und das gilt auch für die Frauen- und Geschlechtergeschichte in diesen Ländern oft einen nicht nur quantitativen Vorsprung hat. Die englische Frauen- und Geschlechtergeschichte etwa zeigt in ihren Forschungen eine bemerkenswerte Breite an Themen und innovative Ansätze; damit entstehen Forschungstatsachen, die von den ForscherInnen rezipiert werden und rezipiert werden müssen.

Das rechtfertigt nicht das Ignorieren der Leistungen von ForscherInnen aus kleineren Staaten. Deren Situation ist trotzdem nicht so chancenlos; wobei ich jetzt weniger daran denke, ob ihre Forschungen vom „Zentrum“ wahrgenommen werden oder nicht. Sondern vor allem daran, was sie selbst als „an den Rändern“ stehend an Forschungsperspektiven einbringen können. Das gilt für West und Ost, denn wie Franziska zu Recht schreibt, „the homogeneity suggested by the concepts „East“ and „West“ is misleading.“ An den „Rändern“ zu stehen ist eine Chance, die sofern Engagement vorhanden ist, für die Forschung äußerst fruchtbar sein kann. Die Frauen-und Geschlechtergeschichte selbst hat dieser Positionierung von Frauen(geschichte) auch ihr Entstehen zu verdanken.
Damit kann ich sogleich an Luisa Passerinis Text anschließen: Dringliche Probleme sollen aufgegriffen werden, so die Geschichte interkultureller Beziehungen, schreibt Luisa. Deren Bedeutung möchte ich unterstreichen: Sie sind ein Thema der europäischen Geschichte und insbesondere auch der Frauen- und Geschlechtergeschichte, das über die Grenzen Europas hinausreicht- über die Migrationen verschiedenster Art- wie es sich auch an Grenzen stößt. Insofern ein Thema, das sowohl national als transnational ist und die Grenzen Europas ausfranst.
Luisas angedeutete Kritik an vergleichenden Methoden lässt mich an Werner Schiffauers Artikel „Die Angst vor der Differenz. Zu neuen Strömungen in der Kulturanthropologie“ (Zeitschrift für Volkskunde, 92 [1996], 20-31) denken. Auch interkulturelle Beziehungen werden von nationalen Regelungen der Staatsbürgerschaft beeinflusst, wie generell die Geschichte auch von Beziehungen. Dies für Europa herauszuarbeiten bedeutet vergleichende Methoden anzuwenden.

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