Konferenz: Die Präsenz der Gefühle. Männlichkeit und Emotion in der Moderne, 27.-29.09.2007, Berlin

Arbeitskreis Geschichte und Theorie (AG+T), Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB), gefördert durch die Fritz Thyssen Stiftung

Ort: Berlin, Reichpietschufer 50, D-10785 Berlin
Zeit: 27.-29. September 2007
Konzept und Organisation: Manuel Borutta und Nina Verheyen
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Die Geschichte männlicher Gefühle ist für die Moderne bislang meist negativ erzählt worden: als Disziplinierung, Unterdrückung oder verhängnisvolle Entfesselung maskuliner Leidenschaften. Die Tagung soll dieses gleichermaßen widersprüchliche wie einseitige Bild einer defizitären oder pathologischen männlichen Emotionalität erweitern und verändern, indem sie Emotionen als historisch wandelbaren, jedoch ständig anwesenden Bestandteil von Männlichkeit fasst. Ausgehend von der deutschen Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts wird die Beziehung von Männlichkeit und Emotion in der Moderne auf drei Ebenen untersucht:
Erstens wird nach der diskursiven Beziehung von Männlichkeit und Emotion gefragt: Welche Gefühle wurden der männlichen ‚Natur’ zugeschrieben oder abgesprochen? Welche Rolle spielten Vorstellungen von Männlichkeit für Deutungen und Theorien des Emotionalen? In welcher Beziehung stand beispielsweise die ‚Polarisierung der Geschlechtscharaktere’, die sich seit dem 18. Jahrhundert vollzog, zur Dichotomisierung von Rationalität und Emotionalität?
Zweitens geht es – in historisch-anthropologischer Perspektive – um Emotionen von Männern: Welche Gefühle waren für Männer sag- und zeigbar? Inwiefern beeinflussten diese Regeln den Ausdruck und die Erfahrung männlicher Emotionen? Wie schrieb sich der Umgang mit Gefühlen in männliche Körpersprachen und Habitus ein? Welche Praktiken der Kontrolle und Kultivierung von Gefühlen gab es? Wann wurden Emotionen zum Problem männlicher Identität, dem durch gezielte Arbeit am Selbst zu begegnen war?
Drittens sollen Emotionen als Kategorie der Analyse männlichen Handelns erprobt werden, und zwar auch in Forschungsfeldern, in denen sie bislang kaum thematisiert worden sind, wie in der Politik- und Wirtschaftsgeschichte: Inwiefern trägt die Analyse der Beziehung von Emotion zum Männlichkeit etwa zum besseren Verständnis eines Streiks, eines Feldzugs, einer Revolution oder der Börse bei? Sind die Entscheidungen ‚kleiner’ und ‚großer’ Männer besser zu erklären, wenn man deren Emotionen berücksichtigt? Wie lassen sich diese erfassen und beschreiben?
Programm
Donnerstag, 27.9.2007
I. Männlichkeit und Emotion in der Moderne: Perspektiven, Modelle, Zugänge
15.45 Begrüßung und Einführung: Manuel Borutta (Köln)/Nina Verheyen (Berlin)
16.00 Catherine Newmark (Berlin)
Philosophiehistorische Perspektiven: Begriffe männlicher Emotion und Vernunft in der Moderne
16.20 Andreas Reckwitz (Konstanz)
Kultursoziologische Perspektiven. Zur Transformation männlicher Subjektformen
16.40 Ute Frevert (New Haven, Connecticut)
Historische Perspektiven. Zum Wandel der Beziehung von Männlichkeit und Emotion in der Moderne
17.30 Benno Gammerl (Berlin)
Kommentar und Moderation
Freitag, 28.9.2007
II. Literarische Entwürfe im 19. Jahrhundert
9.00 Claudia Nitschke (Oxford)
Väter & Söhne. Aufbegehren und Gefühlskultur in den Jahrhundertwenden (1800/1900)
9.20 Simona Slanicka (Bielefeld)
Adlige Domestizierungsversuche bürgerlich-männlicher Emotionen? Der Bastardroman im 19. Jahrhundert
9.40 Stefan-Ludwig Hoffmann (Bochum)
Kommentar und Moderation
III. Familiäre Konstellationen im 19. Jahrhundert
11.00 Daniel Schläppi (Bern)
Familiarisierte Öffentlichkeit, blutige Schlachten, väterliches Wohlwollen. Zum Gefühlsleben bürgerlicher Männer in Bern (1830-1930)
11.20 Ellinor Forster (Innsbruck)
Ausdrucksmöglichkeiten männlicher Emotion in Scheidungsprozessen des ländlichen und kleinstädtischen Österreichs im 19. Jahrhundert
11.40 Uffa Jensen (Brighton)
Kommentar und Moderation
IV. Politische Energien im 19. Jahrhundert
15.00 Frank Möller (Greifswald)
„Jeder Zoll ein Mann!“. Heinrich von Gagern in der Revolution von 1848/49
15.20 Nikolaus Buschmann (Tübingen)
Deutsche Treue – treue Deutsche? Männlichkeit und politische Moral im langen 19. Jahrhundert
15.40 Daniel Morat (Berlin/Göttingen)
Kommentar und Moderation
V. Ökonomie und Leidenschaft im 19. und 20. Jahrhundert
17.00 Christian Koller (Zürich)
Geschlecht und Emotion in schweizerischen und österreichischen Streikdiskursen (1870-1950)
17.20 Urs Stäheli (Basel)
Disziplinierte Spekulanten – hysterische Märkte: Zum Geschlecht der Spekulation
17.40 Jakob Vogel (Berlin)
Kommentar und Moderation
Samstag, 29.9.2007
VI. Medialisierung männlicher Emotionen nach 1945
9.30 Maria Fritsche (Portsmouth)
Zwischen Sentiment und Erstarrung. Männliche Gefühlsregungen im österreichischen Nachkriegsfilm
9.50 Marcus Payk (Potsdam)
„Kalte Männer im Kalten Krieg“. Geheimnis, Geschlecht und Gefühl in westdeutschen TV-Spionageserien der 1960er Jahre
10.10 Gunilla Budde (Oldenburg)
Politik mit Gefühlen. Der Profumo-Keeler-Skandal im England der 1960er Jahre
11.00 Frank Bösch (Gießen)
Kommentar und Moderation
VII. ‚Neue Männer’ seit den 1960er Jahren
12.00 Aribert Reimann (Köln)
„¡Hasta la victoria siempre!” Männlichkeit zwischen Revolution und Emotion in den 60er und 70er Jahren
12.20 Pascal Eitler (Bielefeld)
Der „Neue Mann” des „New Age”.
Emotion und Religion in der Bundesrepublik Deutschland (1970-1990)
12.40 Frank Grüner (Heidelberg)
Antimoderne Männerphantasien. Emotionale Männlichkeitskulte russischer Rechtsextremer seit der Perestrojka
13.30 Christian Holtorf (Dresden)
Kommentar und Moderation
14.30 Abschlussdiskussion
15.00 Ende der Tagung
15.30 Interna des Arbeitskreises Geschichte + Theorie
Manuel Borutta, Dr. des.
Universität Köln
Historisches Seminar
Albertus-Magnus-Platz
D-50923 Köln
manuel.borutta[at]uni-koeln.de
Nina Verheyen, M.A.
Doktorandin der Geschichte
Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB)
Reichpietschufer 50
D-10785 Berlin
verheyen[at]wzb.eu
Seit Herbst 2003 ist Emotionen/Geschichte das Rahmenthema des Arbeitskreises Geschichte + Theorie. Dies ist die dritte größere und öffentliche Konferenz in einer Reihe von Tagungen, die zum Themenkomplex organisiert werden wird. Die erste fand im Frühjahr 2005 zum Thema Medien und Emotionen: Zur Geschichte ihrer Beziehungen seit dem 19. Jahrhundert
statt, die zweite im Herbst 2006 zum Thema Rationalisierungen des Gefühls: Zum Verhältnis von Wissenschaft und Emotionalität, 1880-1930.

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