Österreichische Zeitschrift für Geschichtswissenschaften (OeZG); Theresa Adamski und Gabriella Hauch (Web)
Einreichfrist: 30.04.2022
Am 29. Oktober 2021 fand der 15. Workshop des „Forschungsschwerpunkts Frauen- und Geschlechtergeschichte der Historisch-Kulturwissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien“ zum Thema „Was ist radikal? – Revolutionäre Konzepte und militante Strategien im Kontext von Feminismus und Arbeiter:innenbewegung“ statt (Link). Die Fragen, die im Rahmen des Workshops aufgeworfen und diskutiert wurden, dienen als Ausgangsbasis für den inhaltlichen Fokus der Ausgabe. Ein kritischer Umgang mit begrifflichen Kontrastpaare wie radikal/konservativ, modern/traditionell oder progressiv/reaktionär, die Einbettung von Radikalitätskonzepten in den Rahmen postkolonialer Kämpfe und ein Fokus auf Intersektionalität zählten zu den Forschungsdesideraten, die die Diskussion begleiteten.
„Radikal sein“ war und ist einerseits Selbstidentifikation und Ausdruck politischer Haltung. Andererseits dient der Radikalitätsbegriff als Projektionsfläche für Normierungsprozesse und Ausschlussmechanismen sowie politische, soziale und religiöse Kämpfe. In den 1880ern agierte etwa die „Radikale Arbeiter-Partei“ als antiparlamentarischer Flügel der österreichischen Sozialdemokratie. Das „radikal“ im Namen der Organisation hieß — in Abgrenzung zu reformorientierten Strömungen innerhalb der Arbeiter:innenbewegung – vor allem „revolutionär“. Auch die militanten Suffragetten in Großbritannien und den USA zielten auf grundlegende gesellschaftliche Veränderungen. Ihre Forderungen polarisierten: Laut der österreichischen Arbeiterinnenzeitung 1913 etwa hätten die Proletarierinnen nichts von den Suffragetten zu erwarten, auch wenn letztere sich „noch so radikal gebärden“. Dennoch erhielten sie durchaus auch aus marxistischen und anarchistischen Kreisen Anerkennung für ihre „direkte Aktion“. Zuschreibungen des Radikalen fanden hier explizit entlang der Differenzkategorien Klasse und Geschlecht statt.
Radikalitätsbegriffe dienen aber auch als diskursive Marker für race und Religion, für Dis/Ability, Sexualität und Geschlechteridentitäten. Der „radikale Feminismus“ der 1970er etwa ist aufgrund der transfeindlichen Positionen mancher seiner Vertreter_innen (den im englischsprachigen Raum sogenannten „trans exclusionary radical feminists“) bis heute Gegenstand queer-feministischer Kritik. Aufgrund der Heterogenität jener Orte, wo Radikalität ausgehandelt wird, muss einmal mehr die Frage gestellt werden: Was ist radikal? Weiterlesen … (PDF).