Konferenz des DFG-Graduiertenkolleg „Geschlecht als Wissenskategorie“ (Humboldt-Universität zu Berlin), Konzeption: Konstanze Hanitzsch, Sven Glawion sowie Nadine Teuber für das Panel 4
Zeit: 14 und 15 November 2008
Ort: Humboldt-Universität zu Berlin
Deadline: 1. Juni 2008
„[…] alles andere hätte irgendwie noch einmal gutgemacht werden können, wie in der Politik ja alles einmal wieder gutgemacht werden kann. Dies nicht. Dies hätte nie geschehen dürfen.“ (Hannah Arendt)
Scham und Schuld konstituieren zentrale Narrationen, in denen die Verbrechen der Shoah erzählt werden. Verhandeln die Überlebenden der Shoah hier ihre traumatischen Leiden, die unabschließbar sind, so kursieren auf der Täter/-innenseite vielfältigste Erzählungen, welche die Shoah zu bannen versuchen und/oder in ein nationales, deutsches Motiv verwandeln. Der Schwerpunkt unserer Konferenz liegt auf der Betrachtung des Umgangs mit der Shoah und ihrer von Scham und Schuld bestimmten Erinnerung auf der Täter/-innenseite. In den 80er Jahren hat eine kontroverse und differenzierte Diskussion um den Opferstatus ‚der Frau‘ im Nationalsozialismus stattgefunden (Lanwerd/Stoehr 2007). Wurde bis dahin Täterschaft oft unmarkiert als männlich gedacht, gerieten nun Studien über Frauen als Täterinnen in das Blickfeld der Forschung. Bis heute wird jedoch in diesem Zusammenhang die Frage nach der Konstruktion von Geschlecht sowie nach deren Funktion von Geschlecht innerhalb der symbolischen Ordnung vernachlässigt. Unser Vorhaben ist es, sowohl die als Männer und Frauen schuldig Gewordenen als auch die im Erinnern und Verschweigen der Shoah zirkulierenden Gender-Codierungen zu fokussieren. Welcher Zusammenhang besteht zwischen diesen Gender-Codierungen und den Verbrechen der Shoah? Können hier verborgene Schuldabwehr-, bzw. Ermächtigungsstrategien durch die Einnahme von Opferpositionen wirksam werden? Scham und Schuld, ihre geschlechtliche Codierung und ihre strategisch-diskursive Verwendung in ‚Erzählungen‘ über die Shoah, stehen im Zentrum der Konferenz. Die ‚Wahrheit des Sex‘ und die ‚Wahrheit des Geschlechts‘ liefern Deutungen, Erklärungen und/oder dienen der Schuldabwehr – wie genderkritische Arbeiten unter anderem zum Verhältnis von Gedächtnis und Geschlecht gezeigt haben (Eschebach/ Jacobeit/ Wenk 2002).
Scham und Schuld über die nationalsozialistischen Verbrechen werden sowohl in der Literatur als auch im Film und ebenso in den Berichten über die Prozesse gegen Kriegsverbrecher/-innen in heteronormativ verfassten Gender-Stereotypen verhandelt.
So bildet die heterosexuelle Liebesgeschichte in Literatur und Film häufig den Hintergrund, vor dem nach Verantwortung, Schuld und Scham gefragt wird. Dieses Phänomen findet sich z.B. in dem Bestseller „Der Vorleser“ (1995) von Bernhard Schlink, der von einer Liebesgeschichte zwischen den Generationen erzählt. Anhand geschlechtlich codierter Schuld und Scham wird in diesem Roman eine Schuldabwehr durch die Erotisierung und Feminisierung der nationalsozialistischen Verbrechen geschaffen.
Ebenso findet sich in Literatur und Film verstärkt seit den 1990er Jahren die Tendenz, Perspektiven auf die Zweite Generation nicht-jüdischer Deutscher zu etablieren, welche die Differenzen zwischen den Kindern der Opfer einerseits und den Kinder der Täter/-innen andererseits nivellieren und beide zu Opfern der Shoah erklären.
Scham und Schuld sind geschlechtlich codierte Emotionen über die Erinnerung- und Entschuldungsdiskurse in der deutschen Vergangenheitspolitik verhandelt werden. Auch der Begriff der ‚Schande‘ spielt in diese Diskurse mit hinein – und somit der zutiefst mit ‚Männlichkeit‘ und Nation verbundene Begriff der ‚Ehre‘. Einen scheinbaren Gegensatz dazu bilden Darstellungen der ‚Feminisierung des deutschen Volkes‘, die den Mythos der ‚verführten deutschen Nation‘ festschreiben und der Schuldabwehr dienen.
Auf der Konferenz soll aus vielfältigen, (inter-, trans-)disziplinären Perspektiven Scham, Schuld und Geschlecht im Erinnern und Verdrängen der Shoah nachgegangen werden. Anhand der Darstellungen von Schuld und Scham soll diskutiert werden, welche Funktionen die geschlechtlichen Codierungen erfüllen.
Inwiefern führt Schuldkonfrontation in geschlechterstereotype Flucht vor der Schuld? Ist Schuld ein Terminus, der Verantwortung und Handlungsmöglichkeit beinhaltet und Scham hingegen ein passives ohnmächtiges Gefühl für begangene Schuld? Inwiefern führt die Trennung von Scham und Schuld zu Schuldverschiebungen oder sogar zu Schuldabwehr?
Wie verschränken sich diese beiden Begriffe in der literarischen Auseinandersetzung mit der Shoah? Neben keynote-Vorträgen, die den Geschlechtercodierungen von Scham und Schuld kultur-, literatur- und religionswissenschaftlich nachspüren, soll diesem Komplex unter verschiedenen Aspekten nachgegangen werden.
Panel 1: Vater, Mutter, Kind – und die Schuld der Täter/-inn
Panel 2: Schuld und Sühne: Geschlechtercodes der Religionen
Panel 3: Iustitia
Panel 4: Wissensarchiv Psychoanalyse. Geschlecht, Scham und Schuld in Familien von NS-TäterInnen und MitläuferInnen
Panel 5: Bewegte Scham: Vergeschlechtlichte Shoah in politischen Bewegungen nach 1945
Mit diesem Call for Paper möchten wir interessierte Wissenschaftler/-innen und Nachwuchswissenschaftler/-innen herzlich dazu einladen, ein kurzes Abstract einzureichen.
Dieses soll max. 3000 Zeichen umfassen, eine Zuordnung zu einem der fünf Panels (unten) enthalten und durch einen kurzen CV (eine Seite) sowie Angaben zu benötigtem technischen Equipment ergänzt werden. Die Vorträge können auf Deutsch und Englisch gehalten werden und sollen eine Länge von 30 Minuten nicht überschreiten.
Die Abstracts sind bis zum 01. Juni 2008 an folgende Adresse zu richten: Subtexte#web.de. Entscheidungen bezüglich des Calls werden ca. bis zum 01. Juli 2008 mitgeteilt. Anreise- und Übernachtungskosten können in Ausnahmefällen anteilig erstattet werden.
aus: https://www.univie.ac.at/gender/