Category Archives: Edition_1. Weltkrieg in Selbstzeugnissen

Der Erste Weltkrieg in Selbstzeugnissen – Auszüge aus Beständen der Sammlung Frauennachlässe Nr. 34: Korrespondenz von Christl Lang und Leopold Wolf, 21. März und 18. April 1915 aus Wien und Polen

NL14_1915_03_21Christine („Christl“) Lang (geb. 1891) arbeitete im Hut-Salon ihrer gut situierten Adoptiveltern in Wien. Sie war mit dem Architekten Leopold („Olly“) Wolf (geb. 1891) verlobt, der Anfang 1915 als Reserveoffizier der Artillerie in Polen stationiert war. Im folgenden Brief reagierte Leopold Wolf sehr vehement auf die offenbar erhaltenen Beanstandungen seiner Braut – sowie seiner Eltern -, er würde zu selten schreiben und auch betreffend der Inhalte seiner Briefe (die von Zensur und Kriegsbedingungen bestimmt waren). Solche Themen wurden in Feldpost häufig verhandelt und haben Unsicherheiten und Konflikte evoziert. Deutlich wird an der Korrespondenz des Paares zudem, dass – wegen der langen Beförderungszeiten – eine gegenseitig bezugnehmende Brief-Kommunikation unmöglich war.

Brief von Leopold Wolf an die Verlobte Christl Lang

21.III.15.
Liebste Christl!
Ich schreib Dir heute schon den zweiten Brief, denn der erste geht nicht ab, da er sicher nicht zu den schönsten gehört hätte, die ich Dir geschrieben. Dein letzter Brief hat mir – nun sagen wir: gar keine Freude gemacht. Ich schäme mich heut, wie garstig ich heut die Zeilen aufgenommen denn ich war nicht wenig erregt, und wollte –. Ich beherrschte mich aber, etwas Unwürdiges zu tun, und will nun diese Gedankensünden dadurch sühnen indem ich sie Dir gestehe. – Gestern habe ich eine Karte an Dich und Mama abgesendet, aus der Du siehst daß ich auf eine Unmenge Post ein Monat lang warten mußte. Wenn auch hier der Grund bekannt ist, warum sie solang nicht kam, weißt Du natürlich nicht weshalb solange keine Post an Deine Adresse gelangte. Aber auf alle Fälle werde ich verurteilt! Wenn es Euch Friedensleutchen wirklich nur Continue reading

Der Erste Weltkrieg in Selbstzeugnissen – Auszüge aus Beständen der Sammlung Frauennachlässe Nr. 33: Tagebuch von Julie Söllner, 18. März 1915, Wien

NL 52 Tagebuch Julie Soellner 1915 03 18Die Wienerin Julie Söllner (geb. Karplus, geb. 1874) hatte die Ausbildung zur Lehrerin absolviert. Sie war mit einem Rechtsanwalt verheiratet hatte drei Kinder. Im März 1915 vermerkte sie, das „Bedürfnis“ zu haben, Aufzeichnungen über die aktuelle „entsetzliche Zeit“ zu machen. Die Erinnerungen wurden an nur drei Tagen im März und April 1915 verfasst und enthalten neben der Schilderng der aktuellen Lebensverhältnisse in der bürgerlichen Wiener Umgebung der Schreiberin auch kommentierte, retrospektive Passagen auf die politischen und kriegerischen Ereignisse seit Sommer 1914.

18. März 1915
Ich weiß nicht warum, aber ich habe das Bedürfnis mir selbst eine Erinnerung an unsere große, an unsere merkwürdige, an unsere entsetzliche Zeit zu schaffen. Ich war eben 40 Jahre alt geworden und trotz aller Wirren, trotz des ewigen Wetterleuchtens an unserem politischen Himmels, ja selbst nach der Ermordung unseres Thronfolgers – er hatte, aber auch den Herzen der meisten seiner künftigen Unterthanen sehr fern gestanden – dachte ich nicht im entferntesten daran, daß Krieg sein könne. Ja, den Balkankrieg mit allen seinen Auswüchsen hatten wir ja erst erlebt, aber bei uns konnte doch nicht Krieg sein; mir wäre es ja vom Herzen recht gewesen, wenn wir die Serbenbande für ihre Frechheit, ihren Übermut und ihre Niedertracht in und anstatt ihres Landes „gezüchtigt“ hätten. So sollte es aber leider nicht kommen, das große Russland hat Parthei für Serbien genommen und da wir die unerträglichen politischen Zustände nicht mehr ertragen konnten Continue reading

Der Erste Weltkrieg in Selbstzeugnissen – Auszüge aus Beständen der Sammlung Frauennachlässe Nr. 32: Tagebuch der Volksschülerin Ella Reichel, 8. März 1915, Neulengbach

NL 38 Tagebuch Ella Reichel 1915 03 08Ella Reichel (geb. 1905) wuchs im Niederösterreichischen Neulengbach auf, wo die Eltern am Hauptplatz eine Eisenwarenhandlung führten. Die jüngere Schwester Anna war 1909 geboren worden. Seit ihrem 8. Lebensjahr notierte Ella Reichel Tagebuchaufzeichnungen parallel in verschiedenen Kalender- und Notizheftformaten. Im Frühjahr 1915 beschrieb die 10-Jährige darin retrospektiv die politischen Ereignisse seit Sommer 1914 – sowie ihre eigenen, dramatischen Erlebnisse.

Montag 8. III. 1915.
Nach bereits zwei Jahren werfe ich schnell wieder ein paar Zeilen hin. Die französischen Stunden haben aufgehört. 31. Juli 1914 war große Aufregung in Neulengbach, es kam nämlich ein Herr vom Kriegsministerium, der machte ein Zettel am Rathaus an, und darauf stand daß alle einrücken sollten. Jetzt hätte ich bald vergessen das am 28. Juni 1914 das Trohnfolgerpaar von einem Serben namens Prinzip in einem Auto in Sarajewo durch ein paar Revolfer Schüsse ermordet worden ist. Es wurde überall schwarz beflaggt, auch in Neulengbach. 18. Juni 1914 bekam ich Infektions-Lungenentzündung. Ich stand schon am Rande des Grabes. Herr Dkt. L. wußte nicht mehr was für ein Mittel er anwenden sollte. Sonntag wurden mir am Rücken 6 Egel angesetzt, sie sogen mir viel Blut aus. Mittwoch bis Donnerstag war die Krise. Nach zehn Tagen wurde ich schon wieder in den Garten getragen. Von nun an kam ich bereits alle Tage in den Garten hinab. 12. Juli fuhren wir zur Luftveränderung nach Maria-Taferl. Wir sollten 14 Tage ausbleiben doch am 14. Juli kamen mir schon wieder nachhause. Es freute mich nicht. Mutter [Anna Reichel, geb. 1868] und Luisl [das Dienstmädchen der Familie] mussten viel von meiner Grantigkeit ausstehen. Als wir zurückkammen war bald darauf die Mobielisierung. 1. August mußte mein lieber Vater einrücken. Continue reading

Der Erste Weltkrieg in Selbstzeugnissen – Auszüge aus Beständen der Sammlung Frauennachlässe Nr. 31: Tagebuch von Bernhardine Alma, 26. Februar 1915 bis 10. März 1915, Wien

NL 09 Alma Bernhardine 1915 02 26Nachdem sie sich mehrere Monate um eine Position im freiwilligen Kriegshilfsdienst bemüht hatte, erhielt die 20jährige Wiener Bürgerstochter Bernhardine Alma (geb. 1895) im Februar 1915 ihre erste Stelle. Ihre – unentgeltliche – Aufgabe war es, Listen mit Namen von gefangenen Soldaten abzuschreiben, wozu sie an fünf Nachmittagen in der Woche eingeteilt war.

26. II. 1915. Freitag, abends.
Mir ist nicht gut. (…) Heute bekam ich eine Karte von der Anmeldestelle des R.K., weshalb ich Nachmittags in die Tuchlauben 7 ging, mit Fritz u. Marius [dem kleinen Bruder, geb. 1902], die aber unten warteten. Der eine Herr, der mir schon damals dort auffiel u. G. oder S. heißt, war wieder da und ziemlich nett. Dann kam die Frl. v. B., die sehr liebenswürdig war. Sie ist nicht mehr jung, war aber mit mir sehr lieb. Sie führte mich in ihr Appartement, wobei sie mir den Vortritt ließ. Und gab mir eine Karte an den Sektionschef von H. als ich zusagte, bei der Gefangen-Korrespondenz helfen zu wollen. Sie ließ telefonieren, ob der Sektionschef zu sprechen sei, und ersuchte mich dann um diesbezügliche Nachricht. Ich ging also ins Rote Kreuz in der Landskrongasse 1, III Stock. Zwei Beamte sagten natürlich „Küßdiehand“ (ich glaube, alle beide) waren aber sonst sehr dummsinnig. Dann wurde ich zum Sektionschef geführt; dieser war überaus liebenswürdig, außer Mittwoch u. Sonntag gehe ich alle Nachmittage von 3–6 vorläufig hin; morgen fange ich an, er schien schon heute zu wollen; aber das ging noch nicht von mir aus. – Jetzt bin ich doch erst wieder zu dieser Gefangenen-Korrespondenz gekommen, aber Continue reading

Der Erste Weltkrieg in Selbstzeugnissen – Auszüge aus Beständen der Sammlung Frauennachlässe Nr. 30: ‚Müttertagebuch‘ von Maria E. für ihren 1914 geborenen Sohn „Nusserl“, 21. Februar bis 23. Mai 1915, Steiermark

NL 174 Handschrift Maria EDie junge Steirerin Maria E. (geb. 1890) war mit einem Juristen verheiratet und Mutter von zwei kleinen Buben. Wegen einer medizinischen Behandlung des Eineinhalb-Jährigen Sohnes Elmar („Bubi“) plante Maria E. im Winter 1915 einen mehrwöchigen Aufenthalt in Wien. Zur gleichen Zeit wurde ihr Ehemann Adolf E. in den Kriegsdienst eingezogen.

21. Februar [1915]: Adolf ist Soldat. Am letzten Sonntag vor seiner Abreise machen wir mit Nussi einen kleinen Spaziergang. Der kleine Bubi ist nicht schwer und hält sich schon wacker aufrecht, daher trage ich ihn diesmal, als Vorübung für Wien.

27. Februar: Dr. O. ist Mittags da. Nusserl [der 6monate alte Sohn Heribert] soll das erste Mal photographiert werden. Adolf, im Militärgewand, packt seine Sprößlinge. Heribert läßt vor Verwunderung seinen Mund offen und Elmar fährt ihm rasch mit seinem Fingerchen hinein! Auf das Bildl bin ich neugierig!

1. März: Der Papa segnet sein Jüngstes. Um 5 Uhr früh trägt ihn sein Zug nach Görz und zwei Tage später, Mittwoch, den 2. März: verlasse ich mein Nusserl und lege es der Mutter ans Herz, bei der es ja am besten aufgehoben ist. Um 12 Uhr mittags trägt mich und meinen Erstgeborenen der Zug nach Wien. Gott schütze dich einstweilen lieber Heribert. Mir stehen schwere Tage bevor! – – (…)

23. Mai: Heriberterl hat es wohl lange nimmer so gut als Elmarl. Er ist halt ein Kriegskinderl! Alles wird knapp, es gibt weder Continue reading

Der Erste Weltkrieg in Selbstzeugnissen – Auszüge aus Beständen der Sammlung Frauennachlässe Nr. 29: Tagebuch von Bernhardine Alma, 6. bis 8. Februar 1915, Wien

NL 09 Alma Bernhardine 1915 02 06Im Februar 1914 schien sich für Bernhardine Alma (geb. 1895) eine Möglichkeit zu finden, sich in der Kriegskrankenpflege zu engagieren. In ihrem Tagebuch dokumentiert sie dabei auch den großen bürokratischen Apparat, der die verschiedenen (freiwilligen) Hilfstätigkeiten von Frauen und Männern im Ersten Weltkrieg administrierte.

6. Februar 1915. Samstag, abends.
„Was wäre das Leben ohne Hoffnung!“ – Das Wetter ist kalt. (…) Heute ging ich mit Sigrid [der älteren Schwester, geb. 1891] ins Rote Kreuz – sie wartete heraussen. Ich fragte einen jungen Mann um die Frau v. B. (sie ist zwar ein Frl.) der mich hinwies. Ich hätt‘s alleine auch gefunden! – Ich gab ihr die Empfehlung zurück (sie sagte, daß die Baronin S. gestern da gewesen war!) und dann sagte ich, daß ich auch in die Kanzlei ginge oder in die Küche – aber Pflegerin sei mir am liebsten. Nun gab sie mir eine Empfehlung an ein Frl. B. oder B. [zwei ähnlich klingende Namen] (ich sah ihr beim Schreiben zu), sie fing an: „Überbringerin wurde vom Gf. Traun empfohlen“ (so ähnlich) und dann merkte sie mich auch als Hilfspflegerin vor, und sagte, daß sie mir schreiben würde, das heißt darum ersuchte ich sie. Sollte die Empfehlung keinen Erfolg habe, soll ich wieder zu ihr kommen. Nun gingen Sigrid u. ich (Sigrid wartete dann wieder) (der eine Beamte fragte mich heute, ob die Sache erledigt sei, was ich leider verneinen mußte). Übrigens hatte mich der Dr. v. ? dem Grafen Traun als Fräulein Alma vorgestellt, (am Donnerstag) also, wir gingen in die Tuchlauben 7. Ein sehr netter älterer Herr führte mich zum Frl. B., dem er meine Empfehlung gab. Nun war das Frl. sehr nett, ich setze mich, sie schrieb sich Namen, Alter, Wohnung auf von mir, daß ich von 3-6 für Büroarbeiten, Depots oder Küche sei, Continue reading

Der Erste Weltkrieg in Selbstzeugnissen – Auszüge aus Beständen der Sammlung Frauennachlässe Nr. 28: Tagebuch von Bernhardine Alma, 4. Februar 1915, Wien

NL 09 Alma Bernhardine 1915 02 04Die Wienerin Bernhardine Alma war gerade 20 Jahre alt geworden. Seit Schulaustritt war sie im elterlichen Haushalt tätig. In ihrem Tagebuch formulierte vehement den Wunsch, sich in der Kriegskrankenpflege zu engagieren. Bisher hatte sie von ihren Eltern aber keine Erlaubnis dazu erhalten. Einen entsprechenden Kurs hatte sie im Herbst 1914 abgeschlossen, ohne die Prüfung abzulegen. Im Februar 1915 erhielt sie nun eine Einladung zu einem Vorstellungsgespräch.

4. Februar 1915. Donnerstag, abends
[…] Nachmittags zog ich mich nett an, nahm den Brief vom Dienstag (er lautete: „Sehr geehrtes Fräulein! Im Auftrag des Kommissärs für Öst. Hilfsvereinswesen Grafen [Rudolf] Abensperg und Traun[-Maissau] beehre ich mich sie einzuladen, im Laufe des nächsten Nachmittag in der Kanzlei des K.K. Kommissärs I, Milchgasse 1, 1. Stock zur Besprechung einzufinden. Im Auftrag: Dr. Walter von ?“ Das ist so ungefähr der Brief, den ich eingelegt hatte. Die Unterschrift konnte ich nicht lesen.) Ich ging also zum (die Eltern sind grauslich!!!)
Es war eine Unterbrechung während welcher die Mama dem Papa die Geschichte mit dem Grafen so erzählte, daß Papa schimpfte, das Pflegen für unpassend fand u.s.w. – Ich möchte so, so, so gerne pflegen. Warum mir kein Wunsch ausgeht, warum? – Warum gerade ich kein Glück habe? – Aber nun weiter: Ich ging also in die Milchgasse zum Roten Kreuz (dessen Präsident der Graf Traun ist) wurde sehr hochachtungsvoll behandelt und mußte warten; dann in einem Zimmer wo der Dr. ? war. Der Beamte hatte mich hineingeführt, und dem Dr. den Brief vom Dienstag von mir (den ich bekommen hatte!) übergeben, worauf mich der Dr. ersuchte Continue reading

Der Erste Weltkrieg in Selbstzeugnissen – Auszüge aus Beständen der Sammlung Frauennachlässe Nr. 27: Briefe der Wienerin Christl Lang und seines Vaters Johannes Wolf an Leopold Wolf, 28. Dezember 1914 und 9. Jänner 1915, nach Krakau/Kraków

NL14_28_12_2014Die Modistin Christine („Christl“) Lang (geb. 1891) war in gut situierten bürgerlichen Verhältnissen in Wien aufgewachsen. Zu Neujahr 1914 hatte sie hier den Architekten Leopold („Olly“) Wolf (geb. 1891) kennen gelernt. Er war als sogenannter Einjährig-Freiwilliger mit Ausbruch des Kriegs zu einer Mörser-Division des 7. Schweren k.u.k-Artillerie-Regiments eingezogen worden und dabei zuerst in Belgien und Frankreich, Ende 1914 dann in Polen stationiert. Neben den 189 erhaltenen Schreiben der Verlobten liegen auch zahlreiche Schreiben aus der Korrespondenz von Leopold Wolf und seinen Eltern vor. Daraus geht u.a. hervor, dass Feldpostriefe oft auch von anderen Personen wie den Eltern oder Geschwistern oder gelesen worden sind – ggf. auch die eines jungen Paares.

Wien, 28. Dez. 1914.
Lieber Olly!
Hab Dank für Deine lieben Zeilen, die ich heute früh erhielt. Daß Dir der Abschied schwer geworden ist von der Heimat und allen anderen glaube ich Dir gern, stelle Dir nur vor wie erst mir zu Mute war, als ich Dir lächelnd die letzten Abschiedsgrüße zuwinkte. Ich hätte Dir soviel sagen wollen aber es ging nicht. In dem Moment, wo ich gesprochen hätte wärs aus gewesen mit der Fassung und so hab ich mich halt zusammen genommen.
Als die letzten Wagen im Nebel verschwunden waren Continue reading

Der Erste Weltkrieg in Selbstzeugnissen – Auszüge aus Beständen der Sammlung Frauennachlässe Nr. 26: Briefe einer Nichte an Lili Stephani, 22. Dezember 1914 und 16. März 1915 aus Gilamont in der Schweiz nach Chemnitz in Sachsen

Handschrift von Lili StephaniLili Stephanis (geb. 1869) Familie gehörte der gut situierten Offiziers-Gesellschaft in Sachsen an. Sowohl ihr Ehemann (geb. 1864) als auch ihr 19jähriger Sohn Kurt (geb. 1895) waren bereits in den ersten Wochen des Ersten Weltkriegs bei Kampfhandlungen getötet worden. Ihre Mutter war ebenfalls Witwe, der Vater war als kgl. Hauptmann 1870 im Deutsch-Französischen Krieg gestorben. Der umfangreiche Familien-Nachlass enthält auch einzelne Schreiben von Lili Stephanis Nichte Elisabeth Ducraux (persönliche Daten unbekannt) aus Gilamont (Vevey) am Genfersee in der Schweiz.

22. Dezember 1914
Meine liebe Tante Lily! Liebe Elisabeth [ältere Tochter, geb. 1894]!
Ich möchte euch nur sagen, daß ich in Gedanken bei euch sein werde bei diesem schmerzlichen Weihnachtsfest und mir vorstelle, was ihr empfinden werdet. Ich möchte für euch, daß diese Feiertage vorüber seien, denn es werden so traurige Tage sein. Ich denke immerwährend an euch und mein Mitleid ist von ganzem Herzen. Ich will nicht lang schreiben, denn solche Briefe müssen euch quälen und die Wunde von Neuem aufzerren. Nun, liebe Tante und liebe Elisabeth möchte ich euch herzlich ein gutes neues Jahr wünschen. Möge es euch vor allem Trost bringen.
Mit vielen Grüßen und Küssen bin ich Eure ganz ergebene Elisabeth
Bitte auch an Christine [jüngere Tochter, geb. 1898] einen herzlichen Kuß

16. März 1915
Nur eine Zeile um dir zu sagen, daß mir das Bild von Kurt ungeheure Freude macht. Hab vielen Dank dafür. Immer, wenn ich es betrachte denke ich „nein, ist es wahr, daß er nicht mehr da ist, der gute Junge“! Du kannst versichert sein, liebe Tante, daß wir in Gilamont so oft an euch denken, sowie immer von den lieben Verstorbenen mit Liebe reden. Wie geht es euch allen dreien?
Uns allen gut. Wir haben zu schaffen wie Männer, denn wir ziehen um und haben seit dem Krieg keine Dienstboten mehr. Man lernt alles mitarbeiten und das ist ja gesund. Marguerite [vermutlich die Tochter der Schreiberin] sehen wir selten, sie hat so viel zu tun mit den zwei Kleinen. Bitte Grüße Elisabeth und Christine.
Deine ergebene Elisabeth Continue reading

Der Erste Weltkrieg in Selbstzeugnissen – Auszüge aus Beständen der Sammlung Frauennachlässe Nr. 25: Tagebuch von Augusta S., Dezember 1914 und Jänner 1915, Altlengbach

NL 97 Schanda 1914 12Augusta Carolina S. (geb. 1877) führte nach dem Einrücken ihres Mannes Franz S. an die Ostfront alleine ein Warenhaus in Altlengbach im Wienerwald. Im Winter 1914 erwartete sie zudem ihr viertes Kind. Nachdem sie über Wochen ohne Nachrichten von „Papi“ geblieben war, kam er im Dezember 1914 überraschend auf Pflegeurlaub nach Hause.

Vor Weihnachten 1914.
Am 20. Dez. ich glaube es war Sonntag, das Geschäft voller Leute, kam ein Telegramm aus Budapest von Papi, daß er abends in St. Pölten eintreffe. – Ich fuhr hin u. wartete am Bahnhof einige Kriegszüge ab, es gibt so viele Menschen die dort ebenfalls Aufstellung genommen – ich finde ihn nicht! – nach weiterem Suchen gehe ich zu dem Gasthof Fraueneder wo Papi’s Civilkleider aufbewahrt sind. Kaum tret‘ ich in die Einfahrt, seh‘ ich Papi schon umgekleidet von rückwärts aus dem Dunkel hervorkommen – „da ist er!“ ja da ist er kommts zurück, fast leise u. schwankend; ganz gebrochen sieht er aus. „Du bist krank!“ – ja! wenn ich’s nicht wär‘, wär‘ ich nicht hier – ich konnte nicht mehr mit – bin bei einem Heuhaufen liegen geblieben. Continue reading