Der Erste Weltkrieg in Selbstzeugnissen – Auszüge aus Beständen der Sammlung Frauennachlässe Nr. 26: Briefe einer Nichte an Lili Stephani, 22. Dezember 1914 und 16. März 1915 aus Gilamont in der Schweiz nach Chemnitz in Sachsen

Handschrift von Lili StephaniLili Stephanis (geb. 1869) Familie gehörte der gut situierten Offiziers-Gesellschaft in Sachsen an. Sowohl ihr Ehemann (geb. 1864) als auch ihr 19jähriger Sohn Kurt (geb. 1895) waren bereits in den ersten Wochen des Ersten Weltkriegs bei Kampfhandlungen getötet worden. Ihre Mutter war ebenfalls Witwe, der Vater war als kgl. Hauptmann 1870 im Deutsch-Französischen Krieg gestorben. Der umfangreiche Familien-Nachlass enthält auch einzelne Schreiben von Lili Stephanis Nichte Elisabeth Ducraux (persönliche Daten unbekannt) aus Gilamont (Vevey) am Genfersee in der Schweiz.

22. Dezember 1914
Meine liebe Tante Lily! Liebe Elisabeth [ältere Tochter, geb. 1894]!
Ich möchte euch nur sagen, daß ich in Gedanken bei euch sein werde bei diesem schmerzlichen Weihnachtsfest und mir vorstelle, was ihr empfinden werdet. Ich möchte für euch, daß diese Feiertage vorüber seien, denn es werden so traurige Tage sein. Ich denke immerwährend an euch und mein Mitleid ist von ganzem Herzen. Ich will nicht lang schreiben, denn solche Briefe müssen euch quälen und die Wunde von Neuem aufzerren. Nun, liebe Tante und liebe Elisabeth möchte ich euch herzlich ein gutes neues Jahr wünschen. Möge es euch vor allem Trost bringen.
Mit vielen Grüßen und Küssen bin ich Eure ganz ergebene Elisabeth
Bitte auch an Christine [jüngere Tochter, geb. 1898] einen herzlichen Kuß

16. März 1915
Nur eine Zeile um dir zu sagen, daß mir das Bild von Kurt ungeheure Freude macht. Hab vielen Dank dafür. Immer, wenn ich es betrachte denke ich „nein, ist es wahr, daß er nicht mehr da ist, der gute Junge“! Du kannst versichert sein, liebe Tante, daß wir in Gilamont so oft an euch denken, sowie immer von den lieben Verstorbenen mit Liebe reden. Wie geht es euch allen dreien?
Uns allen gut. Wir haben zu schaffen wie Männer, denn wir ziehen um und haben seit dem Krieg keine Dienstboten mehr. Man lernt alles mitarbeiten und das ist ja gesund. Marguerite [vermutlich die Tochter der Schreiberin] sehen wir selten, sie hat so viel zu tun mit den zwei Kleinen. Bitte Grüße Elisabeth und Christine.
Deine ergebene Elisabeth

Sammlung Frauennachlässe NL 177
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Die Verwendung der Namen der Schreiber/innen und ihrer Familien folgt den vertraglichen Vereinbarungen der Sammlung Frauennachlässe mit den Übergeber/innen. In den Dokumenten genannte Namen dritter Personen werden aus Datenschutzgründen anonymisiert.

Zitation dieses Beitrages: Der Erste Weltkrieg in Selbstzeugnissen – Auszüge aus Beständen der Sammlung Frauennachlässe Nr. 26, Briefe einer Nichte an Lili Stephani, 22. Dezember 1914 und 16. März 1915, SFN NL 177, unter: URL