Im Februar 1914 schien sich für Bernhardine Alma (geb. 1895) eine Möglichkeit zu finden, sich in der Kriegskrankenpflege zu engagieren. In ihrem Tagebuch dokumentiert sie dabei auch den großen bürokratischen Apparat, der die verschiedenen (freiwilligen) Hilfstätigkeiten von Frauen und Männern im Ersten Weltkrieg administrierte.
6. Februar 1915. Samstag, abends.
„Was wäre das Leben ohne Hoffnung!“ – Das Wetter ist kalt. (…) Heute ging ich mit Sigrid [der älteren Schwester, geb. 1891] ins Rote Kreuz – sie wartete heraussen. Ich fragte einen jungen Mann um die Frau v. B. (sie ist zwar ein Frl.) der mich hinwies. Ich hätt‘s alleine auch gefunden! – Ich gab ihr die Empfehlung zurück (sie sagte, daß die Baronin S. gestern da gewesen war!) und dann sagte ich, daß ich auch in die Kanzlei ginge oder in die Küche – aber Pflegerin sei mir am liebsten. Nun gab sie mir eine Empfehlung an ein Frl. B. oder B. [zwei ähnlich klingende Namen] (ich sah ihr beim Schreiben zu), sie fing an: „Überbringerin wurde vom Gf. Traun empfohlen“ (so ähnlich) und dann merkte sie mich auch als Hilfspflegerin vor, und sagte, daß sie mir schreiben würde, das heißt darum ersuchte ich sie. Sollte die Empfehlung keinen Erfolg habe, soll ich wieder zu ihr kommen. Nun gingen Sigrid u. ich (Sigrid wartete dann wieder) (der eine Beamte fragte mich heute, ob die Sache erledigt sei, was ich leider verneinen mußte). Übrigens hatte mich der Dr. v. ? dem Grafen Traun als Fräulein Alma vorgestellt, (am Donnerstag) also, wir gingen in die Tuchlauben 7. Ein sehr netter älterer Herr führte mich zum Frl. B., dem er meine Empfehlung gab. Nun war das Frl. sehr nett, ich setze mich, sie schrieb sich Namen, Alter, Wohnung auf von mir, daß ich von 3-6 für Büroarbeiten, Depots oder Küche sei, als Anmerkung schrieb sie dazu vom Grafen Traun empfohlen. Und sie wird mir schreiben, könne aber vorläufig noch keinen Termin angeben. Hoffentlich komme ich bald dazu! Nun werde ich von Briefträger zu Briefträger warten. Aber das Gefühl, daß nichts draus wird, das ich bei der L. damals und vorgestern beim Grafen hatte, hatte ich diesmal nicht. Sollte ich lange keine Antwort bekommen, möchte ich von meinen Eltern erreichen, daß ich Frl. v. B. um eine Empfehlung ins St. Elisabeth Spital bitten kann. Sigrid beichtete heute beim D. [dem Pfarrer der Schreiberin]; er sah reizend aus. – Ich hoffe auf eine baldige Antwort vom Roten Kreuz. Habe ich bis zum 16. Februar schon eine günstige bekommen? –
Etwas später
Mich regt das R.K. sehr auf. Wann werde ich Antwort bekommen? Ach, Hoffnung! Sigrid hat für die Leute Geschirr gekauft. Wann werde ich Antwort bekommen? Und was für??? – –
7. Februar 1915. Abends. Sonntag.
Mich regt das Rote Kreuz so auf und ich darf es nicht zeigen. Am 18 d. beginnt die echte deutsche Blockade Englands. Ob ich bis dahin vom Roten Kreuz Nachricht bekommen haben werde? – Ach, ich muß so viel daran denken. Heute predigte der D. Heute waren Onkel und Tante (d.i. Hugo u. Hedwig) da. Papa spielte heute sehr schön Klavier. Wann ich Antwort bekommen werde, wann – und wie? –
Ich bin so, so, so unglücklich!
Schlägt eine Hoffnung fehl,
Nie fehle dir das Hoffen,
Ein Tor ist zugetan,
Doch tausend sind noch offen! –
8. Februar 1915 abends.
Obigeres schrieb ich heute in sehr trüber Stimmung. Dann kam Hoffnung über mich. Vielleicht, vielleicht bekomme ich bald, sehr bald Antwort vom Roten Kreuz. Sollte dies (oder ich hoffe, hoffe, hoffe, daß ich diese Woche noch recht sehr liebe Antwort bekomme) nicht sein bis zum 17. d., werde ich wahrscheinlich den hw. Herrn P. oder sonst einen hohen Geistlichen schreiben, damit ich eine Empfehlung ans St. Elisabethspital bekomme. – Es hofft der Mensch so lange er lebt. – Cora [die älteste Schwester, geb. 1890] will einen Samariterkurs machen, um dann als Sergius‘ [dem Verlobten, der als Soldat eingezogen war] Frau [mit] zu können. Sie darf natürlich – ach, Cora geht es eigentlich so gut und mir geht nichts aus. Aber vielleicht doch! (…)
Sammlung Frauennachlässe NL 09
Nächster Eintrag aus dem Tagebuch von Bernhardine Alma am 26. Februar 2015
Voriger Eintrag aus dem Tagebuch von Bernhardine Alma am 4. Februar 2014
Die Verwendung der Namen der Schreiber/innen und ihrer Familien folgt den vertraglichen Vereinbarungen der Sammlung Frauennachlässe mit den Übergeber/innen. In den Dokumenten genannte Namen dritter Personen werden aus Datenschutzgründen anonymisiert.
- Zum Tagebuch von Bernhardine Alma im Ersten Weltkrieg siehe auch: Ulrike Seiss, “… ich will keinen Krieg oder als Krankenschwester mit!” Selbstinszenierungen, Kriegsrezeption und Männlichkeitsbilder im Tagebuch einer jungen Frau im Ersten Weltkrieg, Wien, Diplomarbeit,2002 sowie weiters https://ww1.habsburger.net/de.
Zitation dieses Beitrages: Der Erste Weltkrieg in Selbstzeugnissen – Auszüge aus Beständen der Sammlung Frauennachlässe Nr. 29, Tagebuch von Bernhardine Alma, Datum, SFN NL 09, unter: URL