Bernhardine Alma (geb. 1895) war in einem gutbürgerlichen Wiener Umfeld aufgewachsen. Die große Wohnung, wo sie mit den Eltern, den drei Geschwistern und dem Hauspersonal lebte, lag an der zeitgenössich noblen Adresse Weißgerberlände im dritten Gemeindebezirk. Sie hatte keine weiterführende Bildung erhalten, veröffentlichte aber in verschiedenen Zeitschriften kurze literarische Texte. Seit 1915 war sie in der freiwilligen, unbezahlten Kriegshilfe tätig, wo sie den Offizier Jaro G. kennengelernt hatte, der sich zur Genesung in einem Wiener Spital aufhielt. Im Jänner 1915 übernahm sie dabei eine interimistische Leiterinnenposition.
19. Jänner 1916 abends.
Von meinem Jaro habe ich nichts bekommen, ich hätte auch so nicht zu ihm gehen können. Aber ich bin seinetwegen doch ruhig – und hab ihn noch immer lieb. Ich werde jetzt eben warten, was er schreiben oder tun wird. Im Notfall wird eben nichts daraus. Mein Theater [der Wunsch, Schauspielerin zu werden] wäre mir ja noch lieber! Wirklich! Heute gab ich eine Korrespondenzkarte mit Antwortkarte ans Wr. Journal um die Adresse vom Dr Arthur S. und Carl S. auf. Wann ich Antwort haben werde? – Als ich Nachmittags Leintuch flickte, kam auf einmal die Fr. v. P. [die Vorgesetzte im Rot-Kreuz-Dienst] – sie hat gestern abends die Todesnachricht ihrer Schwester bekommen. – Sie fährt nach Deutschland, ich müsse mit ihr ins R.K. [Rote Kreuz] kommen. Das war mein freier Mittwoch! – Dort sagte sie mir noch alles, was zu tun sei und dann ging sie zum Hr H. und dann fort. Sie tat mir sehr leid. Der Hr. H. kam dann her, sagte, daß ich die Fr. v. P. vertrete, sie kommt in 5-6 Wochen wieder, bis dahin könne der Krieg aus sein. – Die Damen waren sehr nett zu mir. Ich bin also jetzt Vorstandsdame-Stellvertreterin, worüber Ma sich sehr freute. Aber es ist viel Arbeit. Dafür habe ich viele Damen unter mir. Dir Frl. P. war sehr lieb. Was sein wird, bis die Fr. v. P. wieder kommt? Was wird bis dahin geschehen sein? Gott wird mir helfen! In Jettchen Gebert [Roman von Georg Hermann, erschienen 1907] kommt vor: „Und alles kam, wie es kommen mußte, kam, wie es kommen mußte!“
20. Jänner 1916. abends. Donnerstag.
Gestern abends überkam mich auf einmal solch ein schönes beruhigendes Gefühl. Geschah da etwas, was mir angenehm war? Wann werde ich dies erfahren? – Für zuhause habe ich sehr viel zu tun. Das ist nur in der Ordnung. Das R.K. ist mir sehr öd. Hoffentlich hat es doch bald mal ein Ende. Herr u. Frau Sektionschef kamen heute zu mir her, besonders sie war reizend. Ich solle halt alles übernehmen, und mich darin mit der Frl. S. teilen u.s.w. Dann versprach mir die Fr. Sektionschefin eine Liste der Damen der Fr. v. P. – und wenn ich etwas brauche, solle ich mich an sie wenden u.s.w. Auch er war sehr liebenswürdig. Die Frl. S. fragte mich wirklich um Kleinigkeiten. Abends fühlte ich mich wieder leicht und angenehm. (…)
(…)
22. Jänner 1916. abends. Samstag.
Heute schien die Sonne so schön es war warm wie im Vorfrühling. Ich wollte. Die Frau von P. wäre wieder da. Es ist so viel Arbeit – so viel Verantwortung – ich werde noch ganz schlecht /aus sehen/ und habe dann das verloren, was mir noch eine halbwegs normale Zukunft sichert. Was werde ich dann haben, wenn ich vorzeitig alt und häßlich sein werde? – Und das Kalender-Roman Schreiben kann einen ganz nervös machen! Ich habe mir heute zwei Künstlerkarten gekauft. Das ist ein Geschäft bei Marius‘ Schule [der jüngere Bruder, geb. 1902], die reizende Karten haben. Wenn nur der Krieg schon aus wäre! Das wäre etwas! – – Was morgen sein wird? Ob Jaro kommen wird? „Zu hoffen wag ich’s kaum – allein, wenn’s doch– – –“ Ich werde dann aber sehr kühl und wenig dabei sein. Hoffentlich schreibt mir die Fr. v P. bald und kommt noch bälder. – (…)
(…)
Montag, 24. I. 16. abends.
Heute war mir sehr, sehr schlecht. Ich gab auch sehr oft wieder und wenn man dabei scheinbar nichts im Magen hat, ist es sehr grauslich. Momentan ist mir schon viel, viel, viel besser. Ich fühle mich beinahe angenehm, im R.K. ging es nämlich sehr gut. Ich habe mich als Vorstandsdame schon hinein gefunden. Meine Damen sind sehr nett. Ich habe ihrer sehr viel und sie sind sehr brav. (…)
Sammlung Frauennachlässe NL 09
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- Zum Tagebuch von Bernhardine Alma im Ersten Weltkrieg siehe auch: Ulrike Seiss, “… ich will keinen Krieg oder als Krankenschwester mit!” Selbstinszenierungen, Kriegsrezeption und Männlichkeitsbilder im Tagebuch einer jungen Frau im Ersten Weltkrieg, Wien, Diplomarbeit, 2002 sowie weiters https://ww1.habsburger.net/de.
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Zitation dieses Beitrages: Der Erste Weltkrieg in Selbstzeugnissen – Auszüge aus Beständen der Sammlung Frauennachlässe Nr. 65, Tagebuch von Bernhardine Alma, Datum, SFN NL 09, unter: URL