Der Erste Weltkrieg in Selbstzeugnissen – Auszüge aus Beständen der Sammlung Frauennachlässe Nr. 64: Tagebuch von Bernhardine Alma, 2. und 3. Jänner 1916, Wien

1916-01-02Bernhardine Alma (geb. 1895) berichtete in ihren seit 1908 ausführlich geführten Tagebüchern u.a. von ihren regelmäßigen Besuchen der Beichte in verschiedenen katholischen Kirchen in Wien. Seit einigen Monaten war sie im freiwilligen Kriegshilfsdienst tätig. Sie erledigte dabei mehrmals in der Woche Schreibarbeiten und besuchte verwundete Soldaten in verschiedenen Spitälern. Im November 1915 war sie dafür mit einer Ehrenmedaille ausgezeichnet worden. Ihrer Formulierung nach hat sie auch ihre beiden älteren Schwestern Cora (geb. 1890) und Sigrid (geb. 1891) „moralisch dazu [gezwungen]“.

2. Jänner 1916. abends. Sonntag
Heute war ich bei der hl. Beichte und Communion. Ich beichtete bei meinem U., der etwas streng, aber sehr herzig war. Ich gehe Donnerstag hoffentlich wieder zu ihm. Die hl. Communion empfing ich vom P[ater] S. Ich tu das so sehr gern. – Heute war die Lisy da. Sie ist ein ganz liebes Mädel. Ich bekam heute einen Kartenbrief von meinem Jaro [eine Bekanntschaft von den Spitals-Besuchen, der ihr eine Liebeserklärung gemacht hatte]. Er dankte für meine Zeilen, würde sich freuen, wenn er wieder einmal das Glück hätte, mit mir zu plaudern, fühlt sich verlassen. Ich soll ihm bringen, was mir gefällt, auch Dreizehnlinden [1878 erschienenes Historienepos von Friedrich W. Weber]. Er ließ der Mama die Hand küssen und unterschrieb sich schon Leutnant. Ich glaube, meine Gratulation hatte er noch nicht bekommen. Was das Jahr bringen wird? Ins Spital ging Sigrid mit mir, ich mußte sie moralisch dazu zwingen, aber dann gefiel es ihr doch. Der eine Rumäne liegt noch immer so. Der andere hat so ein liebes Gesicht, das ich streichelte. Der mit dem durchgeschossenen Gesicht hat mir für den nächsten Sonntag eine Fotografie versprochen und zwar sehr gerne. Die eine Schwester bedauerte so, daß ich bei der Weihnachtsbescherung nicht dabei gewesen. Ich habe der Tante Lilly eine Karte geschrieben. Wann der Fritz kommen oder schreiben wird? Papa ist sehr nett zu mir. Alles wird so teuer! – Wenn der Krieg nur schon aus wäre! –

3. Jänner 1916. abends. Montag.
Heute bekam ich eine Visitkarte von Dr R. u. H. u. Frau erwidern bestens die freundlichen Glückwünsche. Dann bekam ich eine Karte vom Jaro, der für meine Gratulation dankte und hoffentlich bald das Glück haben wird, mich sprechen zu können. – Aber die Aufschrift „liebes Fräulein Alma“ ist geschmacklos. Hoffentlich hab ich Donnerstag Gelegenheit, ihm dies zu sagen. Hoffentlich kommt der Fritz Donnerstag Vormittag auf. Ich bin neugierig, was sein wird, wenn seine Antwort kommt. Der eine Soldat, der so schlecht aussieht im Spital, der zwar spricht, aber sehr matt und dessen Hand ich streichelte, soll schon die letzten Sakramente empfangen haben. Ob ich ihn noch sehen werde am Sonntag? Das ist ein Nachtrag von gestern. Er tut mir sehr leid, sehr! –Co[ra] war heute mit mir im R.K. [Roten Kreuz]. Der Hr. H. sagte, daß sie als meine Schwester legitimiert sei und redete dann nett über mich. Ich war heute im Bankverein u. in der Länderbank. Ich möchte einen Geistlichen kennen lernen, der mich hippnotisiert, der es gut mit mir meint, dem ich rückhaltlos vertraue. – Mir ist, als käme eine schöne Zukunft.– –

Sammlung Frauennachlässe NL 09
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Die Verwendung der Namen der Schreiber/innen und ihrer Familien folgt den vertraglichen Vereinbarungen der Sammlung Frauennachlässe mit den Übergeber/innen. In den Dokumenten genannte Namen dritter Personen werden aus Datenschutzgründen anonymisiert.

  • Zum Thema Beichten im Tagebuch von Bernhardine Alma siehe auch Veronika Helfert, „Lieber Gott lasse mich sterben – u. schenke dafür Wien Frieden u. Segen.“ Politische Dimensionen im Tagebuch Bernhardine Almas (1934), in: Li Gerhalter und Christa Hämmerle Hg.innen, Krieg – Politik – Schreiben. Tagebücher von Frauen (1918-1950), Wien/Köln/Weimar 2015, 33-54 (Link zur Verlagsbeschreibung).
  • Zum Tagebuch von Bernhardine Alma im Ersten Weltkrieg siehe auch: Ulrike Seiss, “… ich will keinen Krieg oder als Krankenschwester mit!” Selbstinszenierungen, Kriegsrezeption und Männlichkeitsbilder im Tagebuch einer jungen Frau im Ersten Weltkrieg, Wien, Diplomarbeit, 2002 sowie weiters https://ww1.habsburger.net/de.

Zitation dieses Beitrages: Der Erste Weltkrieg in Selbstzeugnissen – Auszüge aus Beständen der Sammlung Frauennachlässe Nr. 64, Tagebuch von Bernhardine Alma, Datum, SFN NL 09, unter: URL