CfP: Tagung: Die Vertreibung des Sozialen, 24.-26.10.2008, Berlin

18. Tagung der Arbeitsgemeinschaft „Frauen im Exil“ in der Gesellschaft für Exilforschung e.V. und 100 Jahre Alice Salomon Hochschule Berlin

Zeit: 24.-26.10.2008
Ort: Alice Salomon Hochschule, Alice-Salomon-Platz 5, 12627 Berlin-Hellersdorf
Einreichfrist: 01.10.2007

Die Arbeitsgemeinschaft „Frauen im Exil“ in der Gesellschaft für Exilforschung e.V. plant, ihre 18. interdisziplinäre, internationale Tagung in Kooperation mit der Alice-Salomon-Fachhochschule zum Thema „Die Vertreibung des Sozialen“ zu veranstalten. Die Tagung wird anlässlich des 100jährigen Gründungsjubiläums der Alice Salomon-Schule vom 24. bis 26. Oktober 2008 in Berlin stattfinden.

Die Vertreibung des Sozialen während der NS-Herrschaft ging einher mit der Gefährdung der Emanzipation der Frauen und der jüdischen Bevölkerung und mit dem Einzug von willkürlicher Machtausübung und von Härte im zwischenmenschlichen Umgang. Individuelle Hilfsbedürftigkeit jeglicher Art stand im krassen Widerspruch zu dem konstruierten Hyper-Sozialen, der Volksgemeinschaft, die den Einzelnen und alle konkret sozialen Zusammenhänge auszulöschen begann.
Die Tagung soll demzufolge die Bedeutung des Sozialen im Kontext des Exils thematisieren und die Erfahrungen und den Beitrag von Frauen diskutieren. Frauen beteiligten sich an der öffentlichen Auseinandersetzung um das Soziale, seit die Frage um 1900 angesichts der aufbrechenden Klassen-, Generationen- und Geschlechterkonflikte und zunehmender Vereinzelung neu gestellt wurde. Sie entwickelten Konzepte und Projekte im Bereich der (Sozial-)Pädagogik, der Sozialen Arbeit und der (Sozial-)Psychologie, die sie als professionelle Tätigkeitsbereiche zugleich neu schufen. Das Besondere dabei war, daß sie individuelle Emanzipation und soziale Verantwortung miteinander verbanden. Unter den sozial und politisch engagierten Frauen, zu denen Schriftstellerinnen, Sozialreformerinnen, Juristinnen, Ärztinnen, Pädagoginnen, Wissenschaftlerinnen u.a. gehörten, waren jüdische Frauen in großer Zahl vertreten. Sie halfen ein Konzept des Sozialen zu formulieren, das mit der Orientierung auf Gerechtigkeit deutlich von der jüdischen Tradition
der Zedakah (Wohlfahrt) mitgeprägt war. 1933 wurde diese Tradition zerstört, ihre Vertreterinnen (und Vertreter) verfolgt und ins Exil verbannt.
Einige, wie Alice Salomon, erkannten schnell, daß die Ideen und Konzepte, die sie vertraten, keine Chance mehr hatten und begannen, nach Auswanderungsmöglichkeiten zu suchen, so daß auf diese Weise eine Art Export des Sozialen mit großem Nutzen für die Zufluchtsländer stattfand. Nach 1945 kehrten nicht wenige Emigrantinnen (und Emigranten) (vorübergehend) nach Deutschland zurück, um beim Aufbau einer demokratische Gesellschaft mitzuwirken, unter ihnen viele in sozialen Bereichen Tätige.

Angebote für Tagungsbeiträge, die auf diesem Hintergrund die sozialen Aspekte der Emigration, des Exils und der Remigration ins Zentrum stellen, sollten folgenden Fragestellungen nachgehen:

Welche Bedeutung hatte persönliche und institutionelle Hilfe unter den Bedingungen von Verfolgung, Vertreibung und Exil? Welche Veränderungen sind zu erkennen?

– Wie wurde Hilfe erfahren und erlebt, worin bestand sie und in welcher Weise wurde geholfen? Wer leistete sie, welche Vereine, staatlichen/öffentlichen Einrichtungen etc.?
– Wer hat wem geholfen? Wurde Hilfe überwiegend von Frauen gewährt? Welcher Art war die Hilfe von Frauen? Welcher Art die von Männern? Welche Bedeutung hatte Helfen zwischen den Generationen?
– Worauf basierte die Hilfe? Was waren ihre Motive, Hintergründe? Welche bewußten oder unbewußten Einflüsse jüdischer Wohlfahrtstraditionen waren von Bedeutung? Worin äußern sich diese oder andere Einflüsse?
– Welche Konflikte gab es im Zusammenhang von Hilfe/Hilfewünschen/Hilfeerwartungen, wie wurde mit ihnen umgegangen?

Welche Möglichkeiten hatten Emigrantinnen (und Emigranten?) aus sozialen Berufen, in den Exilländern ihren Beruf auszuüben?

– Welche Unterschiede zur Berufspraxis in Deutschland waren für sie relevant, wie wurden sie konkret erfahren (und bewertet)?
– In welcher Weise veränderte sich ihr Verständnis der sozialen Arbeit, z.B. im Hinblick auf den Umgang mit den Hilfesuchenden, die Zielsetzung, die politische Bedeutung?
– Welche Rolle spielte die Erfahrung der Emigration/des Exils für die (in der) soziale(n) Betätigung?
– Inwieweit haben sich Emigrantinnen in den Aufnahmeländern ehrenamtlich sozial engagiert?
– Was blieb von dem, was sie mitbrachten, in der Kultur des Exillandes, wurde dort integriert, weiterentwickelt, modifiziert?

Erfahrungen und Bedeutung der Remigrantinnen im Rahmen der Reeducation und des Wiederaufbaus der sozialen Arbeit in Deutschland nach 1945

– Was hat sie nach der Verfolgung durch das NS-Regime dazu bewogen, sich in/für Deutschland zu engagieren?
– Wie haben sie die Arbeit im Nachkriegsdeutschland / in beiden deutschen Staaten erlebt und beurteilt?
– Welche heutigen Konzepte sind, historisch gesehen, durch die Remigration beeinflußt worden?

Die Tagungsbeiträge können sich auf den Feldern der Sozialarbeit/(Sozial-)Pädagogik, der Sozialpsychologie, der (Professions-)Soziologie, der Politologie und Literaturwissenschaft, z.B. der exilliterarischen Darstellung von sozialer Hilfe, entweder exemplarisch einzelnen Lebensgeschichten widmen oder Aspekte der Fragestellung anhand von Erfahrungsberichten, Interviews etc. untersuchen.

Vortragsangebote mit einem kurzen Exposé bitte bis zum 1.10.2007 an:
Prof. Dr. Inge Hansen-Schaberg
Birkenweg 15, D-27356 Rotenburg
e-mail: hansen.schaberg[at]t-online.de

Homepage der Alice Salomon Hochschule Berlin, Mitveranstalter
< http://www.asfh-berlin.de>

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