Aufführung: „Was verstehen wir Frauen auch schon von Politik.“ Entnazifizierung von Frauen in Bremen (1945-1952), 15. und 22.11.2011, Bremen

Projekt „Aus den Akten auf die Bühne“
Seit 2007 entwickeln und inszenieren Studierende des Instituts für Geschichtswissenschaft und SchauspielerInnen der bremer shakespeare company (bsc) szenische Lesungen aus historischen Originaldokumenten. (Web) (Facebook)
Aufführungen: „Was verstehen wir Frauen auch schon von Politik“ Entnazifizierung ganz normaler Frauen in Bremen (1945-1952)
Zeit: 15. und 22. November, 19:30 Uhr
Ort: Gerichtssaal des Amtsgerichts Bremen
Das von Eva Schöck-Quinteros herausgegebene Buch „Was verstehen wir Frauen auch schon von Politik“ ist die Vorlage für Aufführungen. Es geht anhand 13 konkreter Fälle aus den Gerichtsakten der Geschichte verschiedener Frauen nach, die auf eine oder andere Art mit den Nazis zusammenarbeiteten und andere Denunzierten.
Bei der Lektüre der einzelnen Fälle wird deutlich, wie vielfältig die Motive waren: während einige überzeugte Mitglieder oder Anhängerinnen der faschistischen Partei und Regierung waren, wurden andere durch Druck auf sie aufgrund eigener Verfehlungen oder gegnerischer politischer Aktivitäten ausgeübt wurde, andere durch ihre unhintefragte berufliche Tätigkeit zu Belasteten.
Bei Kriegsende hatten sie sich vor den Entnazifizierungsausschüssen, deren Arbeitsweise ebenfalls ausführliche dargestellt wird, zu verantworten. Dabei zeigte sich, dass viele der Frauen zu ihrer Entlastung auf Entschuldigungen zurückgriffen, die man vermeintlich Frauen eher glauben würde. Dies waren z.B. solche Aussagen wie die, man hätte von Politik nichts verstanden oder aber man sei im Rahmen der nationalsozialistischen Organisationen nur fürsorglich tätig gewesen. Die Frauen nutzten bewusst Rollenzuschreibungen, um sich zu entlasten.
Wie schwierig die Einstufungen als “ Haupttäterinnen, Belastete oder Mitläuferinnen“ war ist am Beispiel der Sekretärin Hilde Schöttker zu lesen, die in den Kriegsjahren als Sekretärin bei der Gestapo arbeitete und auch Verhöre tippte. Erschreckend ist der Fall der Naturwissenschaftlerin Dr. Karin Magnussen, die im Bereich der Anomalie von Augen forschte und dazu von Dr. Mengele überstellte Augen unhinterfragt verwendete und sich auch in ihrem Verfahren keiner Schuld bewusst war, sogar noch in den 50er Jahren noch rassistische Äußerungen verfasste al sie bereits im Bremer Schuldienst beschäftigt war. Ihre Haltung ist umso unverständlicher, da sie als lesbische Frau besonderer Diskriminierung ausgesetzt waren. Das Buch vermittelt auch einen anschaulichen Eindruck, wie schwierig auch die Entnazifizierungsverfahren sich gestalteten, denn es mussten nicht nur zahlreiche Zeuginnen und Zeugen gehört werden, sondern auch zahlreiche Aktenberge durchforscht werden, um Tatbestände aufklären zu können. Eine sehr interessante Lektüre, die deutlich macht, wie schwierig es ist, zu entschieden, wer bloß gedankenlos war oder aber bewusst Schuld auf sich geladen hat.
Ergänzt wird der Band durch die chronologische Darstellung des Entnazifizierungsverfahrens, die Gesetze der Alliierten und einer Betrachtung zur Täterforschung. E. Laudowicz

Schreibe einen Kommentar