Vortrag der Reihe INTERAKTIONEN des Instituts für Zeitgeschichte der Univ. Wien (Web)
Zeit: 11.12.2025, 11:30 Uhr
Ort: Institut für Zeitgeschichte, Spitalg. 2-4/Hof 1, 1090 Wien, Seminarraum 1
Im Vortrag wird die Wechselwirkung von Krieg, Umwelt, Okkupationsdiskursen und imperialer Biopolitik im österreichischen Galizien und den polnischen Gebieten des Zarenreichs rekonstruiert. Bereits zu Beginn des ersten industriellen Krieges galt medizinisches Wissen als zentrale Ressource zur Aufrechterhaltung der Kampfkraft der Armee und zur Mobilisierung der Heimatfront. Der Bewegungscharakter der Kriegführung an der Ostfront flexibilisierte die Grenzen zwischen Militär- und Zivilmedizin und bezog die Zivilbevölkerung der imperialen Grenzregionen in den Verantwortungsbereich militärärztlicher Praxis ein. Migrationsregime, Besatzungspraktiken und selbst Geschlechterordnungen wurden im östlichen Europa rasch medikalisiert. Millionen von Flüchtlingen gerieten in den Blick der Militärmedizin, die sie durch das Prisma kolonialer Biopolitik als regulierbare und formbare kollektive Körper erfasste. Eine geschlechtersensible Perspektive auf Flüchtlinge eröffnet eine alternative Lesart der militarisierten Umwelt des Krieges. Sie zeigt, dass weibliche Körper und Erfahrungen nicht nur begleitende Randphänomene waren, sondern integrale Bestandteile medizinischer Ordnungsmodelle im Krieg.
Oksana Nagornaia ist seit 2023 wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Osteuropäische Geschichte der Humboldt-Univ. zu Berlin und im Wintersemester 2025/26 Gastprofessorin am Institut für Zeitgeschichte der Univ. Wien.
Quelle: zeitgeschichte mailing list
