Konferenz: Fragen Sie Dr. Sex! Beratungskommunikation und die mediale Konstruktion des Sexuellen, 07.-08.11.2008, Zürich

Forschungsprojekt „Liebe Marta. Ratgeberkommunikation und die mediale Konstruktion sexueller Selbstverhältnisse im ‚Blick‘ (1980-1995) und in aktuellen Internetforen“, Zürich
Zeit: 07.-08.11.2008
Ort: Universität Zürich, Rämistrasse 71, Senatssaal (KOL-E-13)
Deadline: 20.10.2008
Die Geschichte der Sexualität und die vielfältigen Praktiken und Diskurse der Konstruktion des Sexuellen sind ausgiebig erforscht und ihr spezifischer Stellenwert für die Problematisierung des Selbst im Anschluss an Foucault vielfach unterstrichen worden. Dennoch bleibt ein wesentliches Moment der diskursiven Konstruktion von Sexualität vergleichsweise unbeachtet: Der Beitrag der Medien und ihrer Formate hat bislang nur wenig systematische Beachtung in historischen und sozialwissenschaftlichen Untersuchungen zur Sexualität gefunden. Hier setzt die Tagung an und befragt das Verhältnis von Diskursen, Medien und Formen der Kommunikation sowie den dadurch ermöglichten Problematisierungen sexueller Selbstverhältnisse. Diskurse, so die Annahme, sind zum einen wesentlich geprägt von den Medien und zum anderen von den Formen der Kommunikation, in denen sie sich ereignen. Wir fokussieren dabei auf eine spezifische Form medialer Kommunikation – die Form der Beratung.
Medien der Sexualitätsberatung sind vielfältig: das klassische Aufklärungsbuch, die informellen Anfragen an eine wissenschaftliche Instanz, Anfragen an Ratgebende in Printmedien, Hörfunk und Fernsehsendungen bis hin zu diversen Formen der Beratung im Internet wie Online-Foren, Beratungschats oder FAQ-Rubriken. Wir sehen in diesen verschiedenen Formaten der Beratungskommunikation spezifische Ermöglichungs- und Akzeptabilitätsbedingungen des Diskurses um Sexualität: Hier öffnet sich ein diskursiver Raum der Verhandlung und Verbreitung von Regeln und Wissen, sich selbst und die eigene Sexualität expertengestützt zu problematisieren; hier werden Weisen der Problematisierung wahrscheinlich gemacht, die nicht nur das Verhältnis zur eigenen Sexualität transformieren, sondern im umfassenden Sinne auch das Verhältnis zu sich selbst, zum eigenen Körper, zu den Intimverhältnissen sowie zur Art und Weise, sich selbst zu führen und seine Geschlechtsidentität zu definieren.
Die interdisziplinäre Tagung erkundet die komplexen Wechselbeziehungen, in welchen populäre Medien, die Form der Beratung und die diskursive Konstruktion von Sexualität füreinander konstitutiv sind. Im Mittelpunkt des Interesses steht daher die spezifische Verschränkung dieser Themenfelder:
Erstens die Geschichte der Sexualität, die konstitutiv mit ihrer historisch spezifischen diskursiven Konstruktion verbunden ist. Untersucht werden dabei die Verschiebung, Brüche und Konstanzen im Zusammenhang mit der ’sexuellen Revolution‘. Welche Diskurse und Praktiken sexueller Selbste werden möglich? Wie und auf welche Weise stehen sie zu den sie bedingenden Medien und deren Formaten in Beziehung?
Zweitens die Genealogie und Form medialisierter Beratungskommunikation als prominenter Schauplatz, Sexualität zu problematisieren. Wie verändert sich diese Form der Kommunikation im historischen Verlauf sowie durch die je spezifischen populären Medien, in denen sie sich ereignet? Welche Diskurse über Sexualität werden auf welche Weise ermöglicht? Wie und mit welchen Effekten verschränken sich Öffentlichkeit mit Privatheit, Intimität mit Anonymität oder Information mit Unterhaltung und Hilfesuche mit Strategien der LeserInnenbindung?
Drittens die Weisen der Selbstproblematisierung, die durch die massenmedial gestützten Diskurse der Sexualität ermöglicht werden. Auf welche Weise wird die Problematisierung der eigenen Sexualität zu einem wesentlichen Moment der Selbstproblematisierung? Und in welchem Verhältnis steht sie zu den jeweiligen Formaten beispielsweise des (autobiographischen) LeserInnenbriefes?
Programm
Freitag, 7. November 2008
Einführung
09:00 – 10:00 Philipp Sarasin: Die mediale Konstruktion des Sexuellen (Titel prov.)
1
Sitzungsleitung: Philipp Sarasin
10:00 – 10:45 Rudolf Helmstetter: Zur Genealogie der Beratung
11.15 – 12:00 Alfred Messerli: Medien des Rates (Titel prov.)
2
Sitzungsleitung: Sabine Maasen
14:30 – 15:15 Heinz Bonfadelli: Talkshows und ihre Zuschauer
14:45 – 15.30 Stefanie Duttweiler: Vom Leserbrief zum virtuellen Rat. Ausgestaltung und Effekte massenmedialer Beratungsangebote
16.15 – 17.00 Marie-Luise Angerer: Von der Sorge um sich selbst zur Logik der Sorge
Öffentlicher Abendvortrag
20:15 – 22:00 Dagmar Herzog: Selbstwertgefühl, Psychohygiene und sexualisierte Repressionsmoral: Die USA an der Jahrtausendwende
Ort: Kolloquiumsraum des Zentrum Geschichte des Wissens / Rämistrasse 36
Einführung: Philipp Sarasin
Samstag, 8. November 2008
3
Sitzungsleitung: Alfred Messerli
09:15 – 10:00 Annika Wellmann: Beziehungssex. Die mediale Konstruktion einer sexuellen Norm
10:00 – 10:45 Sabine Maasen: Norm, Normalität und Normalisierung sexualtherapeutisch orientierter Selbstführung
11.15 – 12:00 Peter-Paul Bänziger: Von der Suche nach einem Problem und welche Funktion der Sex dabei hat
4
Sitzungsleitung: Stefanie Duttweiler
13:30 – 14.15 Beatrice Schwitter: Intertextualität und Brüchigkeit in autobiographischen Briefen
14:15 – 15:00 Lutz Sauerteig: Von der Etikette zur Erotik: Die Jugendzeischrift BRAVO und die Herstellung sexueller und erotischer Körper in den 1960er/70er Jahren
15:15 – 16:00 Franz X. Eder: Mediale Bild- und Textstrategien im deutschsprachigen Sexualdiskurs, 1945 bis 1970er Jahre
Schlussdiskussion
16:00 – 16:30 Einführung und Leitung: Philipp Sarasin

Kontakt:

Dr. des. Peter-Paul Bänziger
Universität Zürich
Forschungsstelle für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte
Rämistrasse 64
CH-8001 Zürich
tagung08#fsw.uzh.ch
http://www.fsw.uzh.ch/dr_sex
URL zur Zitation dieses Beitrages: http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/termine/id=9959

Schreibe einen Kommentar