Vortrag: Helga Embacher und Margit Reiter: Geschlechterbeziehungen in Extremsituationen: Österreichische und deutsche Frauen im Shanghai der 1930er und 1940er Jahre, 17.04.2013, Wien

Vortrag im Rahmen der IWK-Reihe Frauenbiographieforschung
Mittwoch, 17.04.2012, 18.00 Uhr
Ort: IWK, Berggasse 17, 1090 Wien
Die Hafenstadt Shanghai stand auf der Liste der erwünschten Exilländer ganz zuunterst. Für rund 18.000, größtenteils jüdische Flüchtlinge aus Europa wurde sie dennoch zur letzten Zuflucht. Die Armut und die »Ghettoisierung« ab 1943 zwangen die jüdischen Flüchtlinge, sich im armen, von den Japanern zerbombten chinesischen Stadtteil Honkew anzusiedeln. Dadurch ergab sich im Alltagsleben ein enger Kontakt mit der chinesischen Bevölkerung und auch mit den Japanern. Ein auffallendes Charakteristikum des Exils in Shanghai ist somit die unfreiwillig erfolgte Konfrontation mit einer von europäischen Flüchtlingen als sehr fremd empfundenen Kultur, mit Menschen, deren Sprache, Lebensweisen und Mentalitäten auf die meisten befremdend wirkten.
Anhand von großteils unveröffentlichten Autobiographien, Erzählungen, Interviews und Berichten in den »Jüdischen Nachrichten« wird im Vortrag den durch diese Extremsituation massiv ins Wanken geratenen Geschlechterbeziehungen nachgegangen. Das harte Leben in Shanghai, vor allem Arbeitslosigkeit und sozialer Abstieg, belastete häufig massiv die Beziehung zwischen Ehepaaren. Für junge Männer erwies sich vor allem der ‚Frauenüberschuss‘ als großes Problem. Rund zehn Prozent der Ehen in Shanghai galten als »Mischehen«, wobei es sich beim »arischen Partner« zumeist um Frauen gehandelt hat. Diese Frauen fühlten sich oft zwischen allen Stühlen und waren innerhalb der jüdischen Gemeinde nicht immer anerkannt.
Helga Embacher ist Professorin am Fachbereich Geschichte an der Universität Salzburg. Forschungsschwerpunkte: jüdische Geschichte, Nationalsozialismus, Israel, Antisemitismus, derzeit vor allem »muslimischer Antisemitismus«.
Margit Reiter ist Dozentin für Zeitgeschichte an der Universität Wien. Forschungsschwerpunkte: Beziehungen zwischen Österreich und Israel, Antisemitismus und Antiamerikanismus, NS-Nachgeschichte, Generationen und (Familien-)Gedächtnis.

Schreibe einen Kommentar