Der Erste Weltkrieg in Selbstzeugnissen – Auszüge aus Beständen der Sammlung Frauennachlässe Nr. 146: Tagebuch von Ella Reichel, 31. Dezember 1918 und 26. Februar 1919, Neulengbach

Ella Reichel (geb. 1905) wuchs im Niederösterreichischen Neulengbach auf, wo die Eltern am Hauptplatz eine Eisenwarenhandlung führten. Die jüngere Schwester Anna war im Juni 1916 gestorben. Seit ihrem 8. Lebensjahr notierte Ella Reichel sporadisch Aufzeichnungen in verschiedenen Tagebüchern. Zum Jahreswechsel 1918/19 notierte sie dabei insbesondere die vielen Todesfälle in ihrer Umgebung. Gleichzeitig berichtet sie von verschiedenen aktuellen Vorkommnissen und den vielen Geschenken, die sie zu Weihnachten erhalten hat. Im Februar 1919 wird ein Konflikt mit einem Dienstmädchen angesprochen. Dabei kam es auch zur Drohung, die Familie wegen „Hamsterns“ anzuzeigen.

31. Dez. 1918.
T. Franzl starb am 23. November, T. am 2. Dezember und das Schrecklichste, K. Annal starb am 12. Dezember. So lustig und gesund und schon sterben müßen. Sie hatte zuerst Grippe und dann Lungenentzündung und Ghirnhautreiz. Es war furchtbar! Zuerst hatte Reserl Grippe und Lungenentzündung und war auch sehr schlecht. Reserl ist aber jetzt schon gesund. Auch so starben viele Leute. R. Antschi, H. Hansi, Frau R. (Tante) und noch viele Andere. Diese Sterblichkeit ist entsetzlich. Luisl [eine Freundin, die vermutlich in Oberösterreich zur Schule ging oder eine Stelle hatte] ist seit 6. November hier, da in Gmunden solche Unruhen waren. Am 8. Jänner fährt sie wieder fort. Wir haben am 7. [Jänner] Schule. Am 21. Dez. (be) wurden uns die Zeugniße (f) vorgelesen. Ich hatte 2 zweier, in Handarbeit und in Singen. Die S. [die Lehrerin] ist eine alte, eklige Schachtel. Am Chor geht es jetzt immer sehr lustig zu. Zu Weihnachten bekam ich: Ein großes, wunderschönes Bild, darunter ein kleineres, einen weißen [Rodenschal], eine Ringdose, einen weißen Spitzenkragen, Geldbörse (Perl), Kölnerwasser, Noten, (L) Photographie von Gretl, Ohrringe, Hausschuhe, Bonbons, Seidenbeutel, – – -. Der Christbaum ist auch sehr schön. Nun Schluß!

26. Februar 1919.
Resi [ein Dienstmädchen] ist eine Diebin! Samstag vor 8 Tagen ging Vater Geld ab. Er zählte das übrige, merkte es an und am selben Tage abends, gingen ihm (1917) {548} ab. Nächsten Tag sagte Vater es Resi und durchsuchte sie ganz. Richtig fand er bei ihr 1917 K. Sie wollte uns nun wegen den Hamstern anzeige. Doch sie überlegte es sich noch und gestand ihren Diebstahl ein. Nun haben wir einen guten Grund, sie aus den Dienst schicken. […]

Sammlung Frauennachlässe NL 38 V
Kein weiterer Eintrag aus dem Nachlass der Familie Reichel.
Voriger Eintrag aus dem Tagebuch von Ella Reichel am 1. November 2018

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Zitation dieses Beitrages: Der Erste Weltkrieg in Selbstzeugnissen – Auszüge aus Beständen der Sammlung Frauennachlässe Nr. 146: Tagebuch von Ella Reichel, 31. Dezember 1918, SFN NL 38, unter: URL