Der Erste Weltkrieg in Selbstzeugnissen – Auszüge aus Beständen der Sammlung Frauennachlässe Nr. 144: Tagebuch von Augusta S., November 1918, Enns an der Donau

Augusta Carolina S. (geb. 1877) war Mutter von vier Kindern. 1916 hatte sie das Bauunternehmen ihrer Eltern in Enns in Oberösterreich übernommen. Zuvor hatte sie eine Gemischtwarenhandlung in Altlengbach in Niederöstereich geführt. Augusta Carolina S.s Ehemann war aus dem Kriegsdienst „enthoben“ worden, da ihr Bauunternehmen „Militärlieferungen“ machte. Ihr Tagebuch hat sie sporadisch geführt. In einem nicht konkret datierten Eintrag vom November 1918 dokumentierte sie insbesondere die aktuelle Lebensmittelknappheit und die situationsbedingten Veränderungen in der Ernährung. Die politischen Ereignisse fasste sie überblicksmäßig zusammen. Der Eintrag ist direkt als Appell zur mahnenden Erinnerung formuliert.

Im Herbst 1918. (November)
Kriegsende! Wirrnisse überall. Das Volk will nicht mehr! Verrate an den Fronten – es wird „Republik“ ausgerufen. Alles eilt am kürzesten Weg zurück in die Heimat. Die Züge sind dicht besetzt auch auf den Dächern sitzen die Soldaten; es geschieht dabei auch manches Unglück. – Eines Nachts wecken uns Schüsse aus dem Schlaf; die Ungarn hatten beim passieren der Grenze Ob. u. Nied. Österreich aus dem Zug geschossen. Es wird von Kriegsvorräten viel geraubt u. geplündert. Viel Wertvolles wird verschleppt u. d. Mutwillen preisgegeben.

Wir leben noch lange in großen Entbehrungen. – Kinder! Daß Ihr doch nie vergessen mögt‘, von 2 Dkg. Fett mußten wir in der Woche leben. 10 Dkg. Fleisch, ½ Kg. Mehl, 1 Laib Brot, weniger Zucker, über alle Lebensmittel gibt es Karten – Kartoffeln u. anderes wird von den Gemeinden vorgewogen. Die Bauern müssen abliefern. Es gehen Commissionen in die Häuser Genußmittel aufzunehmen. Weißes Brot gibt es nur für Kranke. – Es werden auch Wrunken gegessen (Erdrüben). Fränzi [die jüngste Tochter der Schreiberin, geb. 1915] hat jahrelang kein Kipferl gekannt – sie mocht es nicht einmal – auch keine Bonbons – es ist ihr fremd; – und doch ist sie ein lachend‘ Kind‘l geworden!

Sammlung Frauennachlässe NL 97
Kein weiterer Eintrag von Augusta Carolina S.
Voriger Eintrag aus dem Nachlass von Augusta Carolina S. am 24. Jänner 2016

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Zitation dieses Beitrages: Der Erste Weltkrieg in Selbstzeugnissen – Auszüge aus Beständen der Sammlung Frauennachlässe Nr. 144, Tagebuch Augusta S., November 1918, SFN NL 97, unter: https://salon21.univie.ac.at/?p=33500