Der Erste Weltkrieg in Selbstzeugnissen – Auszüge aus Beständen der Sammlung Frauennachlässe Nr. 56: Tagebuch von Augusta S., Herbst 1915, Altlengbach

NL 97 S. 1915 HerbstAugusta Carolina S. (geb. 1877) war als Tochter eines Baumeisters in Enns aufgewachsen, ihr Mann Franz S. aus Baden bei Wien war als Rechnungsführer bei einer Baufirma tätig gewesen. Zur Zeit des Ersten Weltkriegs führte Augusta Carolina S. alleine eine Gemischtwarenhandlung in Altlengbach. Im Frühjahr 1915 war ihr viertes Kind zur Welt gekommen. Franz S. war Anfang des Jahres krankheitsbedingt vom Frontdienst zur Wasserleitungs-Wache in Altlengbach versetzt worden.

Im Herbst 1915
Willi [der älteste Sohn der Schreiberin, geb. 1904] kommt nach Neulengbach in die Familie (das Haus) eines Lehrers (G.) um die Bürgerschule besuchen zu können. – Es macht viel Sorge jetzt die Kinder außer Haus zu geben – es ist Krieg! u. gibt überall Mangel u. Entbehrung. Von Zuhause kommen Nachrichten d. h. Mizzi [Schwester der Schreiberin in Enns] teilt mir mit daß Vater kränkelt; – ich will ihn besuchen. Onkel Ferdinand u. Tante Hanna [frisch verheiratetet Schwager und Schwägerin, die bisher im gemeinsamen Haushalt lebten] sind nach Wiener-Neustadt gezogen. – es ist wieder leerer im Hause. – In einigen Monaten werden auch sie ein Kinderl haben.

Im Winter 1915
Willi kommt jeden Ferientag herüber – er ist brav; hie u da besuch‘ ich ihn. Fränzi [die jünsste Tochter der Schreiberin, geb. im Frühling 1915] wird schon recht munter u. kräftig, sie hat neulich das volle Michflascherl mit einem Handerl aufgehoben, hielt’s über den Rand des Wagerls hinaus u. „patsch!“ lag‘s am Boden. Wenn Willi da ist befaßt er sich gerne mit ihr; sie lacht gerne macht jede Kinderfreude mit; worüber die Geschwister noch mehr Vergnügen äußern. Fränzi hat am ersten, am frühesten, von Allen „Gehen“ gelernt. – ich kann mich wieder nicht viel mit unseren Kleinen befassen; bin wieder viel im Geschäft draußen. Willi stellte die Kleine (Maus) Fränzl am Boden und trat einige Schritte zurück die Hände vorstreckend (zum Fange) – „ Die Fränzi geht! Schau Mami, Mami die Fränzi geht!“ jubelten sie alle…. u. immer sicherer wurde sie.

Sammlung Frauennachlässe NL 97
Nächster Eintrag aus dem Nachlass von Augusta Carolina S. am 12. Jänner 1916
Voriger Eintrag aus dem Nachlass von Augusta Carolina S. am 31. März 2015

Die Verwendung der Namen der Schreiber/innen und ihrer Familien folgt den vertraglichen Vereinbarungen der Sammlung Frauennachlässe mit den Übergeber/innen. In den Dokumenten genannte Namen dritter Personen werden aus Datenschutzgründen anonymisiert.

Zitation dieses Beitrages: Der Erste Weltkrieg in Selbstzeugnissen – Auszüge aus Beständen der Sammlung Frauennachlässe Nr. 56, Tagebuch Augusta S., Herbst 1915, SFN NL 97, unter: https://salon21.univie.ac.at/?p=22701