CfP: Verwandtschaft (Event: Halle/Saale, 10/2010); DL: 15.05.2010

Arbeitskreis Historische Demographie der Deutschen Gesellschaft für Demographie; in Zusammenarbeit mit dem Institut für Geschichte der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg

Zeit: 29.-30.10.2010
Ort: Halle an der Saale
Deadline: 15.05.2010

Verwandtschaft war im deutschsprachigen Raum vergleichsweise lange und trotz des Erfolges der Historischen Familienforschung nicht wirklich ein Thema der Sozialgeschichte und der Historischen Demographie. Stärker im Zentrum des Interesses standen Familie und Haushalt. Dies war nicht zuletzt bedingt durch den Fokus auf Haushaltslisten als das in den 1970er und 1980er Jahren in diesem Bereich favorisierte Quellenmaterial, reflektierte aber zugleich die Vorstellung, dass für die Moderne gerade die scharfe Trennung zwischen kleinfamiliärem Privatraum und die durch anonyme Verfahren und Märkte gekennzeichneten Sphären von „eigentlicher“ Wirtschaft und Gesellschaft kennzeichnend sei.

Verwandtschaft galt damit als allenfalls für Mittelalter und Frühe Neuzeit relevantes, mit Verflechtungs- und Korruptionsfragen assoziiertes Nischenthema. Diese Perspektive ist in jüngerer Zeit datentechnisch, historiografisch und gesellschaftstheoretisch aufgebrochen worden: datentechnisch, weil wir inzwischen mit Familienrekonstitutionsdaten und relationalen Datenbanken viel effizienter rechnen können als vor ein paar Jahrzehnten, historiografisch aufgrund der durch Sabeans klassische Neckarhausen-Studie vom Kopf auf die Füße gestellten neuen Geschichte der Verwandtschaft, und gesellschaftstheoretisch, weil sich die soziale Netzwerkanalyse zu einem wichtigen Zweig der Sozialtheorie gemausert hat. So stellt sich auch die Frage nach den Potenzialen der Verwandtschaftsforschung in Verbindung mit Historischer Demographie, die im Rahmen der Herbsttagung 2010 ausgelotet werden sollen.

Eine besondere Herausforderung liegt dabei im Bezug zwischen der genealogisch rekonstruierbaren Verwandtschaft und den konkret als verwandt wahrgenommenen und in soziale Beziehungsgefüge involvierten Personen. Verwandtschaft konstituiert immer nur ein Potenzial, das durch Kontakte und Beziehungen aktiviert und gepflegt werden muss. Dabei stellt sich auch die Frage nach dem Wissen um Verwandtschaft, wobei von einer Gleichzeitigkeit verschiedener Logiken auszugehen ist: Wen man zur Hochzeit einlädt, wer Anspruch auf Erbanteile hat und wer unter die Verwandten-Eheverbote fällt, sind Kreise, die sich überschneiden, aber nicht deckungsgleich sind. Dies kann reichen Stoff für die Diskussion liefern: vor allem im Zusammenhang mit Verwandtennetzwerken in verschiedenen sozialen Milieus, in Form von Heiratskreisen und verschiedenen Ausprägungen von Endogamie, als Frage der Interaktion zwischen vertikalen und horizontalen, zwischen agnatischen und kognatischen Verwandtschaftsachsen, in der politischen Arena als Kooperation oder als Konkurrenz, als Informations- und Unterstützungsnetz bei Migrationen.

Ziel der Tagung ist es, die Diskussion an diversen Schnittstellen zu intensivieren. Was leistet die formale Analyse von Verwandtschaftsnetzwerken? Wo und wie können und müssen Schnittstellen zu sozialen, kulturellen, rechtlichen, geschlechtsspezifischen etc. Interpretationsansätzen über formale Befunde hinaus genutzt werden? Daneben bietet die Tagung auch Raum für Projektvorstellungen außerhalb des Schwerpunktthemas.

Vorschläge für ein Referat (Arbeitstitel und kurzes Abstract) werden bis zum 15. Mai 2010 an Margareth Lanzinger erbeten, die die inhaltliche Organisation der Tagung übernimmt. Die Tagungssprache ist deutsch, auch Beiträge in englischer oder französischer Sprache sind möglich.

Dr.in Margareth Lanzinger
Institut für Geschichte, Universität Wien
margareth.lanzinger@univie.ac.at

Quelle: http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/termine/id=13325

Schreibe einen Kommentar