Der Erste Weltkrieg in Nachlässen von Frauen Nr. 143: Kriegsgefangenenpost von Georg Semenic an seine Familie, 29. November 1918 bis 9. Juni 1919 aus dem Aostatal in Italien nach Wien

Georg Semenic (geb. 1896) war gelernter Koch. Von ihm sind 20 Feldpostschreiben aus dem Ersten Weltkrieg erhalten, die er als Regimentskoch seit August 1915 von verschiedenen Orten an der italienischen Front an seine Eltern und Geschwister in Wien geschrieben hat. Er bat darin wiederholt um Zusendung von Geld oder von Lebensmitteln oder bespricht Geschehnisse innerhalb der Familie, etwa die Heirat der Schwester oder die Einberufung des Bruders zum Kriegsdienst. Seit November 1918 war er in Kriegsgefangenschaft, wovon 3 Schreiben erhalten sind.

29. XI. 1918
Meine Lieben!
bin seit 3ten dieses Monats in Gefangenschaft. Unser ganzes Regiment mit Mann und Maus befindet sich hier in Italien. Bis Trient konnten wir bequem marschieren dort aber überraschte uns der Italiener. Sind über Verona hierher nach Aosta an der französische-schweizer Grenze gekommen. Geht uns ganz gut, essen genügend; was ist bei Euch Neues wie schaut es in Wien aus wir werden ja auch bald in Eurer Mitte sein. Was ist mit dem Militär in Wien? … Hier ist es sehr schön bin wieder in der Küche habe für 300 Mann zu kochen. Auch ist eine Kantine hier, bekommt man allerlei zu kaufen. Sollte es mir nicht vergönnt sein zu Weihnachten zu Hause sein wünsche ich Euch gute Feiertage und ein gutes neues Jahr!
Viele herzliche Küsse
Euer treuer Murli

9. XII. 1918
Meine Lieben!
Hoffe Euch im Besitze meiner Karten aus Verona und aus Aosta. Wie geht es Euch und Hermine habe seit 16. Oktober keine Nachricht von zu Hause. Mir geht es ganz gut. Was ist mit dem langersehnten Frieden. Das neue Jahr wird uns hoffentlich in die Heimat bringen. Wist Ihr nicht ist R. auch in Gefangenschaft. Schreibt recht bald und viel daß man Zerstreuung hat. Viele Grüße und Küße Euer alter Murli
Kann Hermine nicht schreiben zu wenig Geleg. Grüße an Hermine Josef, Emmy Rudi [kopfüber am oberen Rand geschrieben]

9. VI. 1919
Meine liebe gute Mutter!
Habe heute Deine Karte vom 1.V. erhalten. Habe seit Deinen Brief vom 1./3. keine Nachricht, von den Pragern überhaupt noch gar nichts. Mir geht es ganz leidlich, nur sehr: „kriegsgefangen“, nun hoffen wir daß uns noch dieses Monat eine Veränderung bringen wird! Wie geht es Euch alle meine Lieben, ist Vater gesund? Anton hat auch geschrieben. Emmy und Rudy sollen öfter schreiben
Viele innige Küße Euer alter treuer Murl [kopfüber am oberen Rand geschrieben]

Sammlung Frauennachlässe NL 51 II
Kein weiterer Eintrag aus den Korrespondenzen der Familie Semenic

Die Verwendung der Namen der Schreiber/innen und ihrer Familien folgt den vertraglichen Vereinbarungen der Sammlung Frauennachlässe mit den Übergeber/innen. In den Dokumenten genannte Namen dritter Personen werden aus Datenschutzgründen anonymisiert.

Zitation dieses Beitrages: Der Erste Weltkrieg in Selbstzeugnissen – Auszüge aus Beständen der Sammlung Frauennachlässe Nr. 143, Kriegsgefangenenpost von Georg Semenic an seine Familie, Datum, SFN NL 51 II, unter: URL