Bernhardine Alma (geb. 1895) lebte mit ihren Eltern und zwei Geschwistern in gutbürgerlichen Verhältnissen in Wien. Seit 1915 war sie im Kriegshilfsdienst tätig gewesen. Sie veröffentlichte verschiedene kleinere Beiträge in Zeitschriften, viel Zeit wandte sie für Arbeit im Familienhaushalt auf. Sie besuchte häufig die Kirche und legte dort die Beichte ab. In ihren regelmäßig geführten Tagebüchern werden diese Themen detailliert beschrieben. Im Februar 1919 beschäftigte sie sich darin zudem mit der anstehenden ersten Wahl zur konstituierende Nationalversammlung für Deutschösterreich, bei der erstmals auch Frauen zugelassen wurden – und immer wieder auch mit einer mit Kriegsende beendeten Liebesbeziehung.
Samstag, abends, 15./II.19
Wenn nur die dummen Wahlen schon vorbei wären! Ich möchte doch gerne, daß es meinem Österreich gut geht! Und Wien soll eine berühmte Kunststadt werden – diese politischen Verhältnisse liegen doch schwerer auf mir, als ich dachte! – Donnerstag Steg, Donau [vermutlich bestimmte Verkaufsstellen für Lebensmittel]. Ich gab meine Schuhe (Absatzrichten = 5 K) zu dem Schuster auf der Lände und bekam sie heute noch nicht, dafür wurd er keck genug, mir hofieren zu wollen. Der Pepi (O. F. T.) [?] hab ich geschrieben, daß ich erst Mittwoch oder Donnerstag komme. Wegen der Wahlen. Für zuhause habe ich mitunter sehr, sehr viel zu tun! […]
18. Februar 1919 abends. Dienstag
Ach, war das heute eine schöne, milde Luft, streichelnd und warm und voll Ahnungen – voll Erwartungen und Träume! O – Gott ist ewig gut – aber wir sind schwach; sehr schwach! – Sonntag war ich erst vor der Messe wählen (natürlich christlich-sozial) nach der Messe beim P. sehr gut beichten, der sehr lieb war und dann gleich das Heilige Sakrament spendete. […] Meine Schuhe habe ich heute bekommen, was mir recht ist. Mit dem Bügeln u. Wäscheausbessern (auch […]stopfen) bin ich heute fertig geworden. […] Ich bin sehr, sehr müde – auch geistig. Eine seltsame Schwere ist in mir. […]
In Wien haben die Sozialdemokraten gesiegt, in der Provinz (Gott sei Dank!) die Christlichsozialen, so daß sie jetzt ungefähr gleich sind. Wenn nur meiner Kirche nichts geschieht! – Nach J. G. [Männerbekanntschaft, mit der sich die Schreiberin im Herbst 1918 vermutlich aus politischen Gründen überworfen hat] habe ich oft wieder Sehnsucht, drängende, ungeduldige Sehnsucht, wenngleich ich auch oft lang nicht an ihn denke, neulich nicht viel. […]
Sammlung Frauennachlässe NL 09
Kein weiterer Eintrag aus dem Nachlass von Bernhardine Alma
Voriger Eintrag aus dem Tagebuch von Bernhardine Alma am 10. November 2018
- Zum Tagebuch von Bernhardine Alma im Ersten Weltkrieg siehe auch: Ulrike Seiss, “… ich will keinen Krieg oder als Krankenschwester mit!” Selbstinszenierungen, Kriegsrezeption und Männlichkeitsbilder im Tagebuch einer jungen Frau im Ersten Weltkrieg, Wien, Diplomarbeit, 2002 sowie weiters https://ww1.habsburger.net/de.
Die Verwendung der Namen der Schreiber/innen und ihrer Familien folgt den vertraglichen Vereinbarungen der Sammlung Frauennachlässe mit den Übergeber/innen. In den Dokumenten genannte Namen dritter Personen werden aus Datenschutzgründen anonymisiert.
Zitation dieses Beitrages: Der Erste Weltkrieg in Selbstzeugnissen – Auszüge aus Beständen der Sammlung Frauennachlässe Nr. 150, Tagebuch von Bernhardine Alma, Datum, SFN NL 09, unter: URL