Vortragsreihe: Arbeit und Lebenslauf, 12/2010, Wien

Institut für Wissenschaft und Kunst (IWK); Koordination: Therese Garstenauer, Wien

Zeit: freitags, vier Termine zwischen 03.12.2010 und 28.01.2011, jew. 19 Uhr
Ort: IWK, Berggasse 17/1, 1090 Wien

Lebenslauf ist – nach Martin Kohli – jene Dimension, in der sich Erwerbsarbeit zeitlich gliedert, sich entfaltet und ihre Grenzen findet. In dieser Vortragsreihe wollen wir das Verhältnis zwischen Arbeit und Lebenslauf zur Diskussion stellen. Arbeit wird dabei nicht nur als Erwerbsarbeit im engeren Sinne verstanden. Beispielhaft sollen einzelne Lebensphasen (Kindheit – Erwerbsarbeitsphase – Alter) ins Zentrum des Interesses gerückt und Fragen wie die folgenden erörtert werden: Welche Formen von Arbeit und Nicht-Arbeit gelten für welche Lebensphase als normal? Wie variieren solche Muster in unterschiedlichen nationalen und kulturellen Kontexten? Wie gestaltet sich die lebenslaufspezifische Arbeitsteilung zwischen den Geschlechtern?
Die Vortragsreihe entstand im Zusammenhang des Interdisziplinären Dialogforums „Arbeit im Lebenslauf“ der Universität Wien, das seit Jänner 2010 aktiv ist.

PROGRAMM
Freitag, 3. Dezember, 19.00 Uhr
Gertraud Seiser (Wien): „Dimensionen und Formen von Arbeit innerhalb der erwerbstätigen Phase (15-64 Jahre)“

Ausgangspunkt für die Überlegungen des Vortrags ist eine Perspektive auf Arbeit als sozial-integrative Tätigkeit. Franz B. Steiner hat auf diese Weise versucht, Arbeit von Nicht-Arbeit zu unterscheiden. Demgemäß handelt es sich dann um Arbeit, wenn sie innerhalb eines konkreten sozialen Kontexts von einer Person erwartet und ihr dadurch eine soziale Rolle zugewiesen wird. Entlang folgender Dimensionen sollen verschiedene Verlaufsmuster zur Diskussion gestellt werden: Position im Haushalt und Familienzyklus (kulturspezifische Normierungen nach Alter, Status und Geschlecht); institutionelle Einbettungen und gesellschaftliche Positionierungen konkreter Arbeit; arbeits- und berufsspezifische Verläufe, die durch Erwerb, Besitz und Weitergabe von Wissen, Kenntnissen und Fähigkeiten strukturiert werden.

Freitag, 17. Dezember, 19.00 Uhr
Nicole Mayer-Ahuja (Göttingen, Berlin): „‚I felt like a kid in front of them‘. Arbeit und Lebenslauf bei transnationaler Softwareprogrammierung“

In transnational operierenden Software-Unternehmen spielen Lebensläufe eine zentrale Rolle für die Ausgestaltung der Kooperation zwischen Arbeitenden in verschiedenen Weltregionen. Auf Basis arbeitssoziologischer Fallstudien bei einem deutschen Hersteller von Standardsoftware und einem indischen Erbringer von Softwaredienstleistungen sowie ihren Niederlassungen im jeweils anderen Land werden drei Aspekte diskutiert: die Wechselwirkung zwischen globalen Wertschöpfungsketten und menschlichen Lebensläufen; zwischen Erwerbsbiographien und Standards transnationaler Arbeitsteilung sowie zwischen Lebensläufen und raum-zeitlichen Arbeitsrhythmen. Durch transnationale Perspektiverweiterung werden Aspekte des komplexen Verhältnisses von Arbeit und Lebenslauf sichtbar, die auch innerhalb
eines institutionellen Settings von Bedeutung sind.

Freitag, 14. Jänner, 19.00 Uhr
Helga Eberherr (Wien): „Gender- und Alter(n)skonstruktionen“

Lebensläufe sind an einem chronologisch normierten Ablaufmodell orientiert, dem entlang Individuen ihre Handlungen und Lebensphasen planen. Die soziologische Lebenslaufforschung konstatiert zunehmend eine Auflösung der klassischen Dreiteilung. Erwerbsunterbrechungen, Arbeitslosigkeit, atypische Beschäftigungsverhältnisse, soziale und geographische Mobilität tragen dazu bei, dass sich eingeschliffene Pfade der Lebensplanung und -gestaltung gewandelt haben. Dies führt zu neuen Unsicherheiten in Lebens- und Erwerbsbiographien, die sich für Frauen
und Männer tendenziell unterschiedlich darstellen. Alter(n)skonstruktionen nehmen einen zentralen Stellenwert in dieser Ordnungsstruktur ein und werden in diesem Vortrag intersektional mit gender in Beziehung gesetzt.

Freitag, 28. Jänner, 19.00 Uhr
Manfred Liebel (Berlin): „Arbeit in der Kindheit = Kinderarbeit?“

Kindheit gilt nach westlichem Verständnis als eine Lebensphase, in der Arbeit keinen Platz hat. Dieser Auffassung liegt ein Verständnis von Arbeit zugrunde, das auf lohnabhängige Erwerbsarbeit fixiert ist und sich in dem moralisch negativ aufgeladenen Label „Kinderarbeit“ manifestiert. Um das Verhältnis von Kindheit und Arbeit in seinen
verschiedenen Bedeutungen zu verstehen, ist sowohl ein offener und kontextspezifischer Begriff von Arbeit, als auch ein offener kultursensibler Begriff von Kindheit erforderlich. In diesem Sinn werden in dem Beitrag mit Blick auf verschiedene Gesellschaften und Kulturen mögliche Forschungsperspektiven zu den Zusammenhängen von Arbeit und Kindheit skizziert.

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