Tagung: Wehrmachtsdeserteure. Neue Forschungen zu Entziehungsformen, Solidarität, Verfolgung und (digitaler) Gedächtnisbildung, 16.-18.09.2021, Innsbruck und virtueller Raum.

Institut für Zeitgeschichte der Univ. Innsbruck: Peter Pirker und Ingrid Böhler, in Koop. mit dem Institut für Zeitgeschichte der Univ. Wien: Kerstin von Lingen (Link)
Zeit: 16.-18.09.2021
Ort: Claudiana, Innsbruck und virtueller Raum

  • Programm und virtueller Zugang (Link)

Panels

  • Desertieren im alpinen Raum
  • Soldaten vor Gerichten der Wehrmacht, der Waffen-SS und SS
  • Handlungsspielräume zwischen Front und Heimat
  • Grenzgänge – Perspektiven der Flucht
  • Italien und Jugoslawien als Schauplatz
  • Nachkriegshandeln – Erinnerung und Integration
  • Erinnerungskulturen

Bei der Tagung stellen WissenschafterInnen aus Österreich, Deutschland, Norwegen, Schweden und Italien jüngere Forschungen zu den Phänomenen der Wehrdienstentziehung und der Desertion aus den Streitkräften NS-Deutschlands im Zweiten Weltkrieg vor. Die Tagung ist dem Andenken von Walter H. Pehle (1941–2021) gewidmet.
Nach den Auseinandersetzungen um die gesetzliche Rehabilitierung von Wehrmachtsdeserteuren und anderen Verfolgten der Militärjustiz in Deutschland und Österreich in den 1990er und 2000er Jahren steht nicht mehr der Nachweis des Unrechtscharakters und der Brutalität der deutschen Sonder- und Militärjustiz im Vordergrund, um den Opferstatus der verfolgten Soldaten zu belegen.
Bei der Tagung sollen die Möglichkeiten und Grenzen der Selbstermächtigung von Soldaten und ZivilistInnen gegenüber dem militärischen Gehorsamsanspruch des NS-Staates thematisiert werden. Dabei geht es um einen differenzierteren Blick auf die Praxis der Wehrmachtsgerichte etwa des Ersatzheeres, um die Vermessung von Fluchtrouten und Zufluchtsräumen innerhalb und außerhalb des deutschen Herrschaftsbereiches, um die Beziehungen zwischen entwichenen Soldaten und lokaler Bevölkerung innerhalb der Grenzen des Deutschen Reiches und in besetzten Gebieten.
In mehrdeutiger Hinsicht lässt sich die Praxis von fluchtwilligen oder fluchtfähigen Soldaten ebenso wie die Praxis der Militärjustiz als Umgang mit oder Neudefinition von Grenzen betrachten: als Überwindung staatlich-territorialer Barrieren etwa zur Schweiz an lokalen Hotspots wie dem Rhein, als Überschreiten der Grenze zwischen dem besetzten Norwegen, dem mit Deutschland bis 1944 verbündeten Finnland und dem neutralen Schweden, als Kreieren von Existenzweisen jenseits der Volks- und Wehrgemeinschaft in der „Wildnis“ der Alpen, als Übergang von maskuliner Kameradschaft zu Hilfsangeboten und der Solidarität von Frauen, als das Eingehen unsicherer Beziehungen zu Widerstandsgruppen und der Gründung solcher, als Übergang zu den alliierten Armeen an den Fronten und umgekehrt als Scharfzeichnung von Grenzen durch Wehrmacht- und Sonderjustiz, deren Verfolgungspraxis allerdings nicht durchgängig und einheitlich war.
Ein weiteres Thema der Tagung ist die Transformation der Erinnerung an Deserteure und Kriegsdienstverweigerer durch die Errichtung von neuen Denkmälern sowie die Weitergabe der Erfahrungen von Fahnenflüchtigen in Familie und Gesellschaft.
Für die Teilnahme vor Ort steht eine begrenzte Anzahl von Plätzen zur Verfügung. Verbindliche Anmeldung bis zum 9. September 2021 per E-Mail an Aaron.Salzmann@uibk.ac.at.
Die Tagung findet mit den Vortragenden vor Ort live statt (plus eine begrenzte Zahl von angemeldeten BesucherInnen) und wird auf dem folgenden youtube-Kanal übertragen. https://www.youtube.com/channel/UCJBt4J3x_z4tWlYpjftQwhw
Alle Informationen zu Livestream und Chat-Tool: https://www.uibk.ac.at/events/info/2021/tagung-wehrmachtsdeserteure.html
Quelle: Newsletter des Instituts für Zeitgeschichte