Internationales Forschungszentrum Kulturwissenschaften (IFK)
Zeit: 04. April 2011 , 18:15 Uhr
Ort: IFK, Reichsratsstraße 17, 1010 Wien
An der südöstlichen Spitze Italiens, im Salento, kommt es jahrhundertelang zu einem Ereignis, in welchem sich vor allem Frauen einige Tage oder eine Woche hysterisch gebärden und aus ihrem Alltag für einige Zeit austreten: Frauen imitieren das Bellen eines Hundes, stöhnen, wälzen sich am Boden und tanzen eine unglaubliche Anzahl von Stunden pro Tag zum Rhythmus der pizzica: die salentinischen Tarantelbesessenen (tarantate).
War es ein Mythos, Aberglaube oder Ausdruck süditalienischer Rückständigkeit? Alexandra Rieder geht in ihrem Vortrag den Spuren des apulischen Tarantismus nach. Dabei legt sie besonderes Augenmerk auf die „mythische“ Forschungsreise des berühmten Anthropologen Ernesto De Martino im Salento des Sommers 1959. Sie versteht den Tarantismus als intermediales Phänomen, das sich in Fotografie, Dokumentar- und Spielfilm und anthropologischer Literatur niederschlägt. In den 1980er Jahren verschwindet er von den Straßen Südapuliens, bis uns schließlich transgressive, leidende, nomadische Protagonistinnen in der italienischen Gegenwartsliteratur (u. a. Angelo Morinos „Rosso taranta“) wiederbegegnen – den klassischen Spinnenopfern sind diese Heldinnen nicht so unähnlich.
Alexandra Rieder ist Doktorandin am Institut für Romanistik, Universität Wien und derzeit Junior Fellow am IFK. Ihr Forschungsprojekt: „Moderne Tarantelbesessene: die ‚Nomadenfrauen‘ der italienischen Gegenwartsliteratur“.
Vortrag Alexandra Rieder: Moderne Tarantelbesessene? Ein mythischer Sommer im Salento 1959 und seine Folgen, 04.04.2011, Wien
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