Berhardine Alma (geb. 1895) war in gut situierten Verhältnissen in Wien aufgewachsen. Eine weiterführende oder eine Berufsausbildung hatte sie nicht absolviert. In ihrem sehr umfangreichen Tagebuch lassen sich u.a. die Arbeitsaufgaben einer jungen Bürgerstochter nachlesen sowie ihre Erwerbs- und Berufsstrategien. Die ältere Schwester Sigrid (geb. 1891) arbeitete als Fotografin, Cora (geb. 1890) hatte über eine Zeitungsannonce standesgemäß geheiratet, Berhardine Alma selbst war stark in die Führung des repräsentativen Familienhaushaltes eingespannt. Seit Herbst 1915 leistete sie zudem mehrfach in der Woche unbezahlte Schreibarbeiten für das Rote Kreuz, wo sie inzwischen eine co-leitende Position innehatte, und sie besuchte verwundete Soldaten in Spitälern. Im Sommer 1916 planten Sigrid und Bernhardine Alma, sich beruflich neu zu orientieren. Sigrid Alma strebte eine Laufbahn als Beamtin an, Berhardine Alma versuchte, einen Ausbildungsplatz für eine Position in der Krankenhausverwaltung zu bekommen, was eine kriegsbedingte neue Möglichkeiten speziell für Frauen gewesen sein dürfte.
11. September 1916, abends Montag
Ich habe so viel [im Haushalt] zu tun. – Der kleine Halbidiot von einem neuen Mädel [Hausangestellte] ist natürlich schon wieder fort. Ich habe wirklich riesig viel zu tun. Papas Zeitungslesen kann ich nicht leiden, von Ma auch nicht. (…) Im R. K. [Dienst im Roten Kreuz] war es nicht interessanter als sonst. Hoffentlich werden meine Hände durch das viele Arbeiten nicht zu rauh! –
Sigrids Prüfung [zur Beamtin] ist erst am Mittwoch (…). Ich möchte bald Nagy-Antworten [auf eine für Sigrid Alma aufgegebene Heiratsannonce] bekommen. Ich will so viel! –
12. 13./IC 1916, abends
Vater, dir in die Hände
Sei Anfang und Ende
Sei alles gelegt! – – – –
Gestern vorm R. K. ging ich zum Onkel Franz. Er war diesmal in höchsteigenster Person in der Trafik und sehr nett. Ich glaube, er nannte mich „Tschapperl“, weil er meinen echten Namen nicht weiß. –
Wir sprachen ziemlich lang, er war sehr nett und bekam ich Tabak [den sie an Abenden zu Zigaretten stopfte und bei den Spitals-Besuchen den Soldaten mitgenommen hat]. Dann hielt ich mich mit dem Beamten in der städtischen Dienstvermittlung auf [um ein neues Dienstmädchen zu finden], dann kam ich ins R.K. (…)
Sigrid hat ein sehr hübsches Kostum bekommen. – (…) [Sie] hatte heute Prüfung im Rathaus, aber natürlich keine Protektion. Das Resultat wird sie erst nächste Woche erfahren. –
Marius [der 14jährige Bruder] ist oft sehr nett. Ich habe oft riesig viel Arbeit [im Haushalt, wo derzeit kein Hausmädchen angestellt war]. Heute ging ich zur Hofrätin K. am Heumarkt 23. Sie war sehr nett und liebenswürdig. Der Kurs sei hauptsächlich für Offizierswitwen u. -waisen, der 2. Kurs beginnt im Oktober, da könne was vielleicht doch gehen. Es sei 2 Monate Unterricht, dann komme ich als Leiterin in ein Militärspital, Continue reading →