Der Erste Weltkrieg in Selbstzeugnissen – Auszüge aus Beständen der Sammlung Frauennachlässe Nr. 21: Tagebuch von Bernhardine Alma, 10. und 12. November 1914, Wien

Tagebuch von Bernhardine Alma, 10. November 1914Im November 2014 berichtet Bernhardine Alma (geb. 1895) davon, gefangene russische Soldaten in Wien gesehen zu haben. Der beschriebene, anfängliche Irrtum ihrer Mutter, es wären Angehörige der k.u.k. Armee, deutet nicht zuletzt auf deren sehr diverse Zusammensetzung hin.

10. November 1914. Dienstag, abends.
Da sich momentan kein Hemd-Papa, sondern nur ein Vorlese-Papa (8 Uhr Tagblatt) im Zimmer befindet, kann ich ruhiger schreiben als gestern. Heute fühlte ich mich sehr unglücklich. Ich sehe es für meine Pflicht an, während des Krieges Verwundete zu pflegen und es ist schrecklich, seiner Pflicht nicht nachzukommen. Ob es mir noch gelingen wird? – – Gestern vormittags sahen wir, Mama u. ich, einen Trupp gefangener Russen, von einem unsrigen Offizier geführt. Die Russen hatten andere Kleidung als die unsren, gelblich-graue Mäntel. An einem sah ich eine Pelzmütze. Mama, die [sie] für Legionäre hielt, begann, ihnen zu winken. Aber ich hatte die richtige Ahnung und hielt Mama zurück.

Die Sicherheitswächter bestätigten meine Meinung. – Als ich’s dem gestrigen Geistlichen […] sagte, lachte er erst. Mir tat dies beinahe wohl. Vielleicht hätte ich’s gerne, wenn er es so leicht nahm. Mitunter bekomm ich so ein schönes Gefühl, wenn von einer Kirche die Rede ist, überhaupt. Ob an dem allen der D. [Pfarrer] schuld ist? – Mitunter sehne ich mich nach ihm. Heute Nachmittags war ich mit Sigrid [der älteren Schwester, geb. 1891] im Bräuhaus. Ich möchte mehr Geld haben! Ich will [zu] Verwundeten! Ich will zum Theater!!!!!! –

12. November. Donnerstag, abends.
Wenn nur der grausliche Krieg schon aus wäre! In der A:Z. [Arbeiter Zeitung] war ein schönes Gedicht, schön, weil es vom Frieden handelte. Wenn ich das Blatt bis morgen noch haben kann, werde ich es herein kleben. Ich will nämlich Frieden haben! […]

Sammlung Frauennachlässe NL 09
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  • Zum Tagebuch von Bernhardine Alma im Ersten Weltkrieg siehe auch: Ulrike Seiss, “… ich will keinen Krieg oder als Krankenschwester mit!” Selbstinszenierungen, Kriegsrezeption und Männlichkeitsbilder im Tagebuch einer jungen Frau im Ersten Weltkrieg, Wien, Diplomarbeit, 2002 sowie weiters https://ww1.habsburger.net/de.

Zitation dieses Beitrages: Der Erste Weltkrieg in Selbstzeugnissen – Auszüge aus Beständen der Sammlung Frauennachlässe Nr. 21: Tagebuch von Bernhardine Alma, 10. und 12. November 1914, SFN NL 09, unter: URL