Der Erste Weltkrieg in Selbstzeugnissen – Auszüge aus Beständen der Sammlung Frauennachlässe Nr. 36: Tagebuch von Augusta S., 31. März und April 1915, Altlengbach

NL 97 Schanda 1915 03 31Augusta Carolina S. (geb. 1877) war als Tochter eines Baumeisters in Enns in Oberösterreich aufgewachsen. Ihr Ehemann Franz S. („Papi“) stammte aus Baden bei Wien und war als Rechnungsführer bei einer Baufirma tätig gewesen. Zur Zeit des Ersten Weltkriegs führten sie eine Gemischtwarenhandlung in Altlengbach im Wienerwald. Der Älteste ihrer drei Kinder war 1904 geboren worden, im Frühjahr 1915 stand die Geburt eines vierten Kindes unmittelbar bevor. Franz S. war im Frontdienst „in Russland“ krank geworden. Nach einem längerem Krankenhaus-Aufenthalt bemühte er sich um eine Position bei der Wasserleitungs-Wache in Altlengbach.

31./III. 1915 Mittwoch
Das Gesuch [von Jänner 1915, dass Franz S. zum Wasserleitungs-Dienst in der Heimatgemeinde eingesetzt wird] wird genehmigt und gerade als wir Papi benachrichtigen wollen daß das zu erwartende Kindchen kommen werde, kommt Mizzi [die jüngere Schwester der Schreiberin aus Enns] mit den Worten zu mir ins Zimmer – es ist nicht mehr nötig! „Franz ist schon selbst da!“ Wieder warst du gut! Mein Gott! – u. nochmal ein Warten in Hangen u. Bangen, u. Sorgen u. Mühen … abends um 9 Uhr 50 Minut. ist (in Todesnot) unsere kl. Fränzl, endlich da. Tante Mizzi war wieder in Bangen, nun alles geordnet pendelt sie zwischen unten u. oben auf u. nieder; sie muß doch schon so müde sein; sie holt die Kinder die unten am Sopha eingeschlafen waren halb träumend gucken sie auf das neue Schwesterl, Guggi [Augusta, geb. 1909] wird sehr ernst …… fürchte nichts! …. die Liebe wird Dir nicht geschmälert; wir sind wiedermal glücklich! …. Papi ruft, Ferdinand [Bruder des Ehemanns] herein u. zeigt ihm das kl. Mäderl. – Aber so was, ist ja lieb! – ich dachte immer kl. Kinder sind noch nicht so weit entwickelt u. das sieht so fertig aus. Er beglückwünscht uns. – Endlich wird‘s ruhig; nur Mizzi schnellt beim leisesten Ton u. Geräusch der kl. Fränzi empor und müht sich ihr hie u. da ein paar Tröpfelchen Camillentee einzuflößen, welches sie scheinbar ganz gerne nimmt. (Morgen ist Franz‘s Geburtstag) Sonntag darauf ist Taufe der Kleinen. Franziska, Maria, Gertrudis. Onkel Willi ist auch da! nach der Taufe kleine Jause – und noch abends fährt Mizzi und Onkel Willi weg.

Im April 1915
Das kleine Mäderl gedeiht – macht frische Augerl. Tante Hanna sieht sie hie u. da an u. sagt sie sei schon wieder größer geworden. Eine Venen-Entzündung hielt mich zurück, nun ist‘s gut – ich kann wieder meinen Pflichten nachkommen; man freut sich daß ich mich so gut erholt habe. Unweit von uns ist die Wachstube, Papi kann doch nun zuhause kommen, hält seine Dienststunden aber genau ein. Das Geschäft geht gut, Onkel Ferdinand ist fleißig dran. Arbeiten in Haus u. Garten verteilen sich – es ist wieder alles in Ordnung u. altgewohntem Gang. – Die Kinder werden vernünftiger – Willi [der 10jährige Sohn] hilft allerlei. Wir haben auch einen 2t. Lehrjungen noch bekommen.

Sammlung Frauennachlässe NL 97
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Zitation dieses Beitrages: Der Erste Weltkrieg in Selbstzeugnissen – Auszüge aus Beständen der Sammlung Frauennachlässe Nr. 25, Tagebuch Augusta S., 31. März und April 1915, SFN NL 97, unter: https://salon21.univie.ac.at/?p=20645