Der Erste Weltkrieg in Selbstzeugnissen – Auszüge aus Beständen der Sammlung Frauennachlässe Nr. 52: Feldpostschreiben von Richard Pöhn an die Mutter und Schwester in Wien, 5. bis 8. August 1915 von einem unbestimmbaren Ort in Italien

SFN NL 20Der junge Wiener Richard Pöhn (geb. 1892) war als Mannschaftssoldat der „k.u. k. tiroler Kaiserjäger“ im Juli 1915 von der Ostfront nach Italien versetzt worden. Weiterführende Informationen zu seiner Biografie sind nicht erhalten. Seine Familie lebte im 13. Wiener Gemeindebezirk, Richards Bruder Hans Pöhn war Anfang des Ersten Weltkrieges in der „Petroleum-Abteilung“ der „Anglobank“ in der Wiener Innenstadt beschäftigt.

Richard Pöhn an seine Mutter Amalie Pöhn

5./8. 1915
Liebe Mama!
Wie ich dir schon mitteilte, sind wir jetzt gegen Italien. Kamen am 1./8. hier an, haben auf einem Burgesfuß unser Lager. Haben auch ein anderes Feldpostnummer 98. Ich wäre in Rußland lieber geblieben, anfangs freude ich mich wenigstens auf die Fahrt, da sie mir das Telegram nicht annamen war auch die Freude dahin.
Hir bekommt man wieder nichts zu kaufen außer Wein, da kostet der ½ L 1 K. Auf der Fahrt hatte ich auch keine Gelegenheit mir einmal ortenliches essen zu kaufen, durften in kein Gasthaus, bin auf der ganzen Fahrt zu einem Bier gekommen mehr nicht. Auf Wiedersehen.
Viele herzliche Grüße von deinem Sohn Richard.
Grüße an alle. Ich bin gesund.

Richard Pöhn an seine Schwester „Addy“ Pöhn

5./8. 1915.
Liebe Addy!
Ich habe den Brief vom 23.7. a. 2./8. erhalten. Du schreibst, das du mir schon 5mal Schokolade 3mal Sacharin [einen künstlichen Süßstoff] geschickt [hast]. Habe aber alles nur einmal bekommen. Liebe Addy schicke mir außer Zigaretten nichts in Kuvert, denn um Sacharin iss schade wenn ich im nicht bekomme, glaube es wird sehr teuer sein. Hoffentlich wird da wir jetzt gegen Italien sind, die Paketpost wieder gehen.
Sonst weis ich nichts neues als das es mir hir gar nicht gefällt wenn ich die Berge anschaue graußt mir. Wie ich Mama schon mitteilte, haben wir ein anders Feldpostnummer 98. Was ist mit St. [vermutlich einem gemeinsamen Bekannten]? Ich bin gesund. Viele herzliche Grüße von deinem Bruder Richard
Grüße an alle

8./8. 1915
Liebe Addy!
Ich habe heute Brief 21. mit Zigaretten und Brief mit Zitronensäure und das Schächtelchen aus Aluminium mit Sacharin erhalten. Vielen Dank. Habe schon Angst gehabt als du mir in gestrigem Brief geschrieben hast dass das Aluminium Schachterl am Wege ist, hatte große freude als ich es heute erhilt. Die Briefe mit Milchschokolade habe ich nur einen erhalten und das war noch in Rußland.
Liebe Addy wir sind am 1./8. hier in Küstenland angekommen und liegen hir am Fuße eines Berges (Freilager) die Gegend ist sehr reich an Wein, überal sind […] Weinlauben und Weingärten. Aber er ist sehr teuer ½ L 1 K. Holte mir 1 ½ L in meinem Keßel trank im wies Wasser hatte großen Durscht. Du mußt nämlich wissen ich habe keine Menaschschale mehr sondern einen russischen Kessel [Zeichnung] so sie er aus. wegen der verenterten Feldpostnummer brauchst du keine Angst zu haben kommt alles nach.
Viele herzliche Grüße von Richard
Habe Messerl und Uhr noch
Uhr geht sehr gut

Sammlung Frauennachlässe NL 20
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Zitation dieses Beitrages: Der Erste Weltkrieg in Selbstzeugnissen – Auszüge aus Beständen der Sammlung Frauennachlässe Nr. 52, Briefe von Richard Pöhn, Datum, SFN NL 20, unter: URL