Der Erste Weltkrieg in Selbstzeugnissen – Auszüge aus Beständen der Sammlung Frauennachlässe Nr. 58: Tagebuch von Bernhardine Alma, 5. November 1915, Wien

NL 09 Alma Bernhardine 1915 11 ß5Die 20jährige Wienerin Bernhardine Alma (geb. 1895) erledigte seit Winter 1915 mehrmals in der Woche unbezahlte Schreibarbeiten für das Rote Kreuz. Im November 2015 wurde sie dafür mit der von Erzherzog Franz Salvator von Österreich-Toskana patronierten silbernen Ehrenmedaille ausgezeichnet.

5. November 1915. Freitag, abends.
„Dort haben wir volle Einsicht – volle Klarheit – volle Sicherheit und Freude!“ Wenn ich bestimmt weiß, daß ich nach dem Tod bestimmt glücklich werde, warte ich ja gerne lang. „Keines Menschen Aug‘ hat er gesehen. – –“ u.s.w. Der kleine Kater hat ein wehes Haxerl. Kranke Tiere sind so süß! – Dem S. [einem Soldaten, den die Schreiberin regelmäßig im Krankenhaus besucht hatte] hab ich schon eine Karte geschickt. Ich muß mich aber noch für den Bonifazius-Brief [?] bedanken.

Die Minna B. [eine Kollegin im Kriegshilfsdienst] ist so herzig zu mir! Die Anny ist auch sehr nett gegen mich. Wirklich. Gestern nachdem die Vorstandsdamen eine Weile beim Sektionschef gewesen waren, rief die Fr. v P. mich und das Frl. S. zu demselben. Von den anderen Damen war[en] auch nicht gar viel. Drinnen hielt uns der Sektionschef eine Ansprache, daß uns der Erzherzog Franz Salvator die silberne Ehrenmedaille mit der Kriegsdekoration verliehen habe. Er gratulierte, gab uns die Hand und einen Bogen, wo es drauf stand. Die Auszeichnung selber hatte er noch nicht. Die brachte uns heute der Hauptmann. Die Vorstandsdamen haben die selbe.

Es haben [sie] nicht gar viele bekommen. Die Medaille ist in einer herzigen weißen Schachtel mit dem R.K. und der Anschrift. Sie ist Silber, mit dem R.K. auf weißem Schild, mit der grünen Kriegsdekoration und am rotweißen Band zu tragen. – Ein herziges Mascherl. Die Eltern hatten eine wirkliche Freude darüber, Papas Freude war direkt rührend. Der Fr. v. P. brachte ich einen Mama-Brief der sie scheinbar rührte.

Heute waren Tante Lill, Gertrud, Cora u. Serg [Schwester und Schwager der Schreiberin] da. Aber nicht gar so lange. Wenn nur der Krieg ein Ende nehmen möchte! – Gäbe Gott, daß mir heute Nacht etwas Schönes träumt! – Ps. Gestern begegnete ich dem Baron R., der mich grüßte (das gehört sich nur) und komisch aussah. In der Nacht war mir sehr schlecht. Ich gab 2 x wieder, mühte mich aber, leise zu sein. – Wie werde ich morgen herein schreiben? –

Sammlung Frauennachlässe NL 09
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  • Zum Tagebuch von Bernhardine Alma im Ersten Weltkrieg siehe auch: Ulrike Seiss, „… ich will keinen Krieg oder als Krankenschwester mit!” Selbstinszenierungen, Kriegsrezeption und Männlichkeitsbilder im Tagebuch einer jungen Frau im Ersten Weltkrieg, Wien, Diplomarbeit, 2002 sowie weiters https://ww1.habsburger.net/de.

Zitation dieses Beitrages: Der Erste Weltkrieg in Selbstzeugnissen – Auszüge aus Beständen der Sammlung Frauennachlässe Nr. 58: Tagebuch von Bernhardine Alma, Datum, SFN NL 09, unter: URL.