Maria und Adolf E. lebten in gutbürgerlich situierten Verhältnissen in einer steirischen Stadt. Anfang 1919 war ein Umzug geplant. Adolf E. hatte eine Rechtsanwaltskanzlei in einer Bezirkshauptstadt eröffnet, die Übersiedlung von Maria E. und den vier kleinen Kindern war wurde schriftlich geplant. Ein weiteres Thema der Briefe waren die bevorstehenden Wahlen, für die sich Adolf E. und mehrere Personen aus dem Umfeld der Familie engagiert haben. Kritisch besprochen wurde dabei die Idee einer „Frauenpartei“. Die Briefe liegen in der Sammlung Frauennachlässe als Abschriften von Auszügen vor.
23. Jänner 1919
[Meine liebe Maria!]
[…] Die mir heute übersandte Abmeldung vom [Meldeamt an der bisherigen Adresse] habe ich schon abgegeben u. bin nunmehr ganz seßhaft hier […]
Was die Flugzettel von den christlich demokratischen Gremien anlangt, so beachtest Du ihn wohl nicht; ich staune, daß Du nicht sofort die Sache als das erkannt hast, als eines Sprengmittel, das Dr. Metzger [?] in unsere politische Organisation legen will. Seine nächste Umgebung, die also eigene Frauenlisten aufstellen will, damit ja nur bestimmt daß der christlich sociale Kandidat durchfällt, ist aber dabei so abhängig von Dr. Metzger, also auch einem Mann, daß sie ohne ihn nicht einmal mit der kath. Frauenorganisation verhandeln konnte. Wenn er sein Unwesen so weiter treibt u. zerstört, was wir mühevoll aufbauen, wird das Volksblatt energisch gegen ihn auftreten müssen; Material ist ja genug gegen ihn da! – […]
In der Kanzlei habe ich für Clienten nicht gar soviel zu tun, doch gibts immer Beschäftigung. Für Mittag habe ich ein ständiges Mittagessen a 4 K, abends muß ich mir noch für ständig suchen, langsam wird alles gehen […]
[Dein Adolf]
24. Jänner 1919
[Meine liebe Maria!]
[…] Da mein Fräulein für sich in Graz zu tun hat, nimmt sie für Dich 10 frische Eier mit, die ich eben gekauft habe; sie sind hier angeblich sehr teuer, kosten 1 St 1 K! […]
[Dein Adolf]
[Stadt], am 25. Jänner 1919.
[Mein lieber Adolf!]
[…] Du brauchst Dich wirklich nicht zu sorgen, daß ich wegen solcher Ideen unserer Partei untreu werde, wie es in Deinem Briefe fast den Anschein hatte […] Übrigens verspreche ich mir davon wohl wenig Erfolg. Das ist ja sicher eine unfaßbare Idee, die von unverzeihlichem Eigensinn Zeugnis gibt, ohne damit natürlich das ganze Ziel Metzgers, das er sich mit dem unpolitischen „Weißen Kreuz“ gesetzt hat, verurteilen zu müssen! […] Auch sonst war ich Zeuge in einer Versammlung, wie Metzger fürs „Grazer Volksblatt“ eingetreten ist, dem diese Zeitung sehr viele seiner Abonnenten verdankt.– Da ist mir nur immer leid, wenn sich solche Idealisten zum Schlusse in eine unglückliche Idee verrennen, statt ihre Kraft in gemeinsamer Arbeit auszuwirken. So fasse ich alles auf.– […]
Die beiden Buben erlebten jeder gestern eine große Freude! Unser Ältester [Adolf, geb. 1913] erhielt an ihn adressiert ein Paket von der „Gnaser Tante Mizl (F.). Du kannst Dir diese Freude vorstellen! Kipferln, Keks und anderes Backwerk, außerdem, damit die Großmama ihnen noch mehr machen kann: Mehl, Zucker, Marmelade und Hirse! Ich hatte selber Freude mit den Kindern. Nusserl [geb. 1914] durfte außerdem am Nachmittag mit Tante Luise, deren Schultasche zerbrochen war, zu seinem vielgeliebten Herrn Bressing, (dem er immer einen Löffel voll zu liebe ißt, wenn er heiklig werden will,) der ihm mit Äpfel und Busserln seine Gegenliebe zeigte. Das sind natürlich noch größere Freuden, solche Liebesbeweise durch die Tat! Unser armer Elmar hat so noch die Operation bevor! […]
Mutter träumt schon jetzt von dieser bitteren Stunde.– […]
Unseren Scharlachkindern geht es besser, sie sind heute gottlob fieberfrei! Ich bin natürlich ganz glücklich. Morgen sind es schon 3 Wochen, daß sie im Spital sind. Die Schwester sagte, sie hofft, daß die Krankheit gut verläuft, vorausgesetzt daß keine Nierenentzündung dazukommt […]
Wenn wir nur schon bald zu Dir kommen könnten! […] Weißt, dort hast Du wenigstens Ruhe vor uns! Gelt mein Alles? Die Buben streiten ja so oft. Manchmal lasse ich sie austoben und -raufen, dann sind sie wieder gut, aber oft fahre ich mit Donnerwetter dazwischen.
Ich tröste mich halt damit, daß alle Kinder zanken. – […]
[Deine Maria]
[Stadt], am 26. Jänner 1919.
[Mein lieber Adolf!]
[…] Heute früh mußte unser Ziegenbock abgestochen werden. Die Kuh hatte ihm die Rippen gebrochen […]
Der Hederl [geb. 1915] geht es gut. Karli [geb. 1917] ist schon so munter, daß er im Betterl schon lebhaft herumhüpft […]
[Deine Maria]
Sammlung Frauennachlässe NL 174
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Die Verwendung der Namen der Schreiber/innen und ihrer Familien folgt den vertraglichen Vereinbarungen der Sammlung Frauennachlässe mit den Übergeber/innen. In diesem Fall sind auch die Ortsangaben anonymisiert angegeben. In den Dokumenten genannte Namen dritter Personen werden aus Datenschutzgründen anonymisiert. Die Briefe des Ehepaars E. liegen in der Sammlung Frauennachlässe – in Auszügen – als Abschrift vor.
Zitation dieses Beitrages: Der Erste Weltkrieg in Selbstzeugnissen – Auszüge aus Beständen der Sammlung Frauennachlässe Nr. 148, Korrespondenz von Maria und Adolf E., Datum, SFN NL 174, unter: URL