Anfang 1919 plante Familie E. einen Umzug in eine steirische Bezirkshauptstadt. Adolf E. hatte hier eine Rechtsanwaltskanzlei eröffnet. Nach einigen Wochen hatte er ein passendes Wohnhaus gefunden und nach seiner Ehefrau „Villa Maria“ getauft. Zur selben Zeit beschäftigte das junge Paar die Scharlacherkrankung ihrer vier kleinen Kinder sowie die Wahlen, für die Adolf E. sich engagierte. Die Briefe liegen in der Sammlung Frauennachlässe als Abschriften von Auszügen vor.
[Stadt], am 6. Februar. 1919.
[Mein lieber Adolf!]
[…] Glaubst Du mir, daß ich schon in der Nacht [im Gedanken] unsere [zukünftige] Wohnung eingerichtet habe? Denn ich freue mich ja schon sosehr, auch wenn sie nicht so schön und geräumig und bequem ist wie unsere jetzige. Aber wir werden sie uns schon recht heimisch herrichten und ich kann kaum mehr die Zeit erwarten, die uns endlich für immer eint […] Nach Mutters Schilderung dürfte ich nur für Luise [Dienstbotin der Familie] schwer Platz finden! Den Traum nach einem eigenen und schöneren Zimmer als in [Stadt], habe ich ihr bereits ausgeredet. Doch sie hofft heimlich noch immer in späteren Zeiten ein solches. Wenn bis Weihnachten die Kanzlei geht, kann ich mir ja vom Christkind in das eine Zimmer statt des eisernen einen Kachelofen wünschen. Gelt?
Aber die Hauptsache ist, daß wir bald Dir nachkommen […]
Heute erlebten wir eine große Freude. Zu meiner und der Kinder Überraschung kam ein sehr schweres Kisterl von Deinem Vater [aus Mähren] mit folgendem Inhalt: 6 Kg weißes, 3½ Kg Kornmehl, 2½ Kg Trockenmilch, fast 1 Kg Butterschmalz, Seife und Schaffleisch! Schade, daß Du davon nichts hast! […] Ich bin sehr froh über dieses wertvolle Geschenk! – […]
Den Kindern im Spital geht es gut. Mir auch so ziemlich. Bitte vergiß nicht, meinen Trauungsschein als Wahllegitimation zu suchen; Ich habe ihn nicht. Vielleicht kommen Dir auch die Taufscheine der Kinder unter, die ich eventuell für die neue Zuckeranmeldung brauchen könnte! […]
Petroleum habe ich keines, doch ficht mich das in der Vorfreude aufs elektrische Licht wenig an!
Nussi [geb. 1914] fragte heute, ob sein lieber Papa auch ein König sei? Die Kinder schicken Dir viele Bussi! […]
[Deine Maria]
z. Februar 1919
[Meine liebe Maria!]
[…] Gestern habe ich Dir nicht schreiben können, weil ich nachmittags in einem 1½ Stunden entfernten Dörfchen: Etzersdorf bei einer Wählerversammlung war; der Weg hin u. noch mehr fast der zurück im Monden- u. Sternenlicht durch die Waldwinterpracht war schön, […] Donnerstag haben wir Bauernversammlung hier, Freitag ists möglich, daß ich in Arzberg bei Passail bin. Du siehst also, ich bin jetzt mehr politisch als beruflich tätig, doch hoffe ich, daß eines das andere ergänzt. – […]
[Dein Adolf]
[Stadt], am 8. Februar 1919.
[Mein lieber Adolf!]
[…] Was Du mir von Deinen politischen Reisen erzählst, interessiert mich alles sehr. Ich kenne Gutenberg und Arzberg (ein kleinwinziges Nest) von Fußpartien, die ich als junges Mädchen gemacht habe. Machst Du diese „Wahlfahrten“ alle zu Fuß? Mit Sonntag wird dann Deine politische Tätigkeit wohl aufhören, die nebst dem Zweck, denen sie dienen, doch den einen persönlichen Vorteil haben, daß Du im ganzen Umkreis bekannt wirst. Gelt?
Heute war ich beim Arzt, der (ausgenommen meine schreckliche Magerkeit) mit mir ganz zufrieden ist [Maria E. war an TBC erkrankt]. […] Heute habe ich 37.6°, wahrscheinlich von der Füllung, die mich sehr müde gemacht hat […]
Den Kindern im Spital geht es sehr gut. Hedwig [geb. 1915] möchte schon so gern nach Hause, Karli [geb. 1917] biß gleich ins Bisquitt, das ihm Mutter hinaus brachte. Die Buben sind ganz brav; sie streiten nicht einmal extra viel und Heribert [geb. 1914] weint nur, wenn er „Hunger“ hat, was ziemlich oft der Fall ist – so oft er nämlich was zu essen sieht! Unlängst fing er zwar aus einem anderen Grund im Betterl zu weinen an: „Mama, ich fürchte mich!“ „Aber Nusserl, Du fürchtest Dich doch nie; warum heute?“ „Daß ich aufspringe!“ Ich mußte herzlich lachen! […]
Dein Taufen der Villa auf meinen Namen machte mir soviel Freude! Du bist ja so gut, mein Lieb! […]
[Deine Maria]
Sammlung Frauennachlässe NL 174
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Die Verwendung der Namen der Schreiber/innen und ihrer Familien folgt den vertraglichen Vereinbarungen der Sammlung Frauennachlässe mit den Übergeber/innen. In diesem Fall sind auch die Ortsangaben anonymisiert angegeben. In den Dokumenten genannte Namen dritter Personen werden aus Datenschutzgründen anonymisiert. Die Briefe des Ehepaars E. liegen in der Sammlung Frauennachlässe – in Auszügen – als Abschrift vor.
Zitation dieses Beitrages: Der Erste Weltkrieg in Selbstzeugnissen – Auszüge aus Beständen der Sammlung Frauennachlässe Nr. 149, Tagebuch von Maria E., Datum, SFN NL 174, unter: URL