Adolf Müller (geb. 1881) war im Frühling 1918 in der Verwaltung im Frontgebiet in Galizien eingesetzt. Auf den von ihm erhaltenen Feldpostkarten kommentierte der 37-Jährige genau seine Einkommenssituation als Soldat. Der Finanzbeamte schilderte, dass er an der Front besser versorgt war als die Familie zu Hause, weswegen er Lebensmittel aus Galizien nach Wien schickte. Mit Louise Müller (geb. 1886) hatte er hier zwei kleine Söhne. Entsprechend entgegnete er auch dem offenbar von seiner Frau geäußerten Wunsch nach einer Vergrößerung ihrer Familie. In einer an Adolf Müllers Mutter gerichteten Postkarte behauptet er, dass Angehörige anderer Stabstellen nach Hause versetzt werden würden, was Adolf Müller ebenfalls anstrebte. In einem Schreiben an seine Ehefrau erinnerte sich an einen gemeinsamen Urlaub in Frankreich und Großbritannien, gegen die nun Krieg geführt wurde.
13./IV.18
Liebe Louise!
Soeben lese ich in der „Kriegspost“ vom 11./IV. dass ich zum Adjunkten der städt. Hauptkassa ernannt worden bin, also bekommst du am 1./V ein Batzen Geld! 50 K Gehaltnachtrag, 75 K Quarteiergeld Nachtrag, 250 K Gehalt & 375 K Quartiergeld! Also 750 K abzüglich der Steuer & Stempelgebühren. Davon kannst du mir dann ganz leicht die jetzt allmonatlich (!!) fälligen 50 K schicken. Übrigens bekommen wir jetzt auch außer der Löhnung noch Brotrelutum [Bezug] von 1 K 80 pro Dekade & ein Getränk.-relutum, das für die Zeit vom 1.-10./IV. 7 K 02 ausmachte. Also, wenn’s nicht regnet, so tröpfelts! Damit kann ich mich so genügend voraus ernähren, dass ich’s dann 14 Tage in Wien bei 20 dkg Fleischwochenmenge & Mangel aller übrigen Nahrungsmittel aushalte! Hast du schon irgendeinen Entschluß wegen Sommeraufenthaltes gefasst? Was machen die Buam [Buben]? Gruß Kuß
Adolf
21./V.18
Liebe Louise!
Übermorgen „dreht“ sich Rgl. N. nur weiß ich noch nicht auf wie lange (14 Tage oder 4 Wochen) & wenn der zurückkommt, „dreht“ sich der Adolf [vermutlich eine Bezeichnung für Urlaub]. Es ist schon wieder eine Woche her, seit ich von dir die letzte Nachricht habe, außer dir schreibt überhaupt niemand, ich habe heute Gisela zum Namenstage gratuliert, weiß bis heute nicht, ob sie den Brief erhalten hat, mit einem Worte: a Freud kann man haben, wenn man sieht, wie man den verschiedenen Verwandten ans Herz gewachsen ist! Ja, wenn die 2 Sterne von Gold wären, würden sie mich vielleicht einer Antwort würdigen, aber so mit einem ganz gemeinen Korp., da vergibt man sich ja etwas wenn man seine Korrespondenzen erwidert!
Gruß & Kuß
Adolf
9./VI.18
Liebe Louise!
Seit du wieder auf F. P. 583 [Feldpostnummer] schreibst, bekomme ich täglich eine Karte (3 bisher), heute erhielt ich übrigens noch die 50 K & das hat das letzte Restel „Grant“, das angeblich meinen Korrespondenzen anhaftete, vertilgt. Hollero, duliö! Welche Unterstützg. meinst du eigentlich, die Frau St. bekommt? Den staatlichen Unterhaltsbeitrag, auf den hast du doch keinen Anspruch da wir ja im vollen Genuß meines Gehaltes stehen. Allerdings ohne die Kriegszulage, aber ich glaube kaum, daß ich von der letzteren, wenn ich davon leben müsste, das Auslangen fände! Gestern sind, wie ich dir bereits schrieb Rgl. B. & Inf B. aus Wien gekommen, der letztere, dem ich in einem Sacke Mehl & Bohnen mitgegeben habe, sagt, dass er sie bei Frau Sch. abgegeben hat. Hast du sie schon bekommen? Wie ist das Mehl? Und was hast du dir zu deinem Geburtstage für ein Packerl gekauft? Vielleicht gar Bohnen? Hast du meine Gratulation erhalten? In drei Wochen liegt in deinen Armen
dein Adolf
10./VI.18
Liebe Mutter! [Mutter von Adolf Müller]
Also auf nach Slawonien! [Die Familie plante die Sommerfrische in Kroatien] Es ist mir zwar alles andere eher als angenehm, wenn ich vielleicht 40 Stunden bis Wien radle, dann abermals einige 20 Stunden das Gewerbe fortsetzen, aber schließlich, was tut man nicht alles aus Liebe (und aus Hunger!) Wenn ich anstatt Mag. Beamter Bahnbeamter wäre, wäre der Krieg schon aus für mich, die Eisenbahner rüsten schon ab. Also hier und da erfüllt mich doch so eine leise Hoffnung, daß ich in diesem Jahre noch in mein Zivilkwandel hinein schlüpfen werde, aber gleich im nächsten Augenblicke bemächtigt sich wieder ganze Hoffnungslosigkeit meiner. Wann gehst du schon nach Meidling hinaus, Ende dieses oder erst Anfang nächsten Monats? Ich hoffe gegen den letzten nach Wien zu komen und möchte doch wenigstens 8 Tage in Wien bleiben.
Handkuß u. auf Wiedersehen Adolf
12./VI.18
Liebe Louise!
Der das schwarze Mehl und die Bohnen brachte, war der B., das meiste dürftest du im Laufe dieser Woche von G. bekommen. Soll ich Hülsenfrüchte auch hineinbringen, die kosten auch schon 8 K und mehr per kg, aber wenn man sie drinnen vielleicht gar nicht bekommt, zahle ich lieber hier diese Wucherpreise. Die Säcke in denen G. Mehl bringt, schicke mir umgehend wieder heraus, die F. P. klappt zwar jetzt tadellos (ich erhielt heute deine Karte vom 8./VI) immerhin ist nicht mehr viel Zeit zu verlieren. Was deine Sehnsucht nach einem kleinen Mäderl anlangt, musst du dich schon an eine andere Persönlichkeit wenden, [zu solcher] Zeit! Laß dir einmal das Wirtschaftsbuch von der Christl zeigen [Christine und Leopold Wolf waren Verwandte des Ehepaares Müller. Sie waren gerade Eltern einer kleinen Tochter geworden], das kann man sich zur Not leisten, wenn man so eine reiche Mama hat, und selbst der dürften mitunter glaube ich, die Grausbirnen aufsteigen oder glaubst du daß die ganzen Ausgaben der H. Oberl. [Leopold Wolf] von seinem Gehalt bestreitet?
Gruß & Kuß
Adolf
14./VI.18
Liebe Louise!
Heute vor 16 Jahren fuhr ich mit einer holden „Maid“ von Paris nach London. Damals ahnte ich nicht, daß 16 Jahre später wir mit Franzosen & Engländern in erbitterter Fehde liegen werden. So ändern sich die Zeiten! Den Ort unserer heurigen Sommerfrische hast du mir noch immer nicht mitgeteilt, die 14 Tage werden auf 1-2 um sein, und ich muß ja den Ortsnamen sowohl, als auch die Route, auf welcher er zu erreichen ist, auf dem Urlaubsscheine angeben. Im gestrigen A. K. B. [Zeitung] wurden wieder Dolmetscher für die verschiedenen Sprachen gesucht. Ich meldete mich natürlich gleich für franz. u. englisch, jetzt bin ich neugierig, ob die ersehnte [Rufung?] in die Dolmetscher Schule nach Wien herauskommt. Ich fürchte, sie werden mich nicht weglassen, Oberl. H. der Baonsadjuntant, machte schon ähnliche Bemerkungen. Er war ganz überrascht, als ich ihm von meinen Prüfungen erzählte. Jedenfalls: nützt es nie, so schadet es nie!
Gruß Kuß
Adolf
21.Juni 1918 [Postkarte mit Schreibmaschine verfasst]
Liebe Louise.
Gelt, Alte, da schaust, weit hamm mas bracht, jetzt schreiben ma gar auf der Schreibmaschin. Ja, das S/W I [Einheit] hat ein modernes Kommando, und da das Geld ja bei uns keine Rolle spielt, so kaufen wir halt ein. Also Hülsenfrüchte willst du keine mehr, fürchtest du etwa die Folgen? Keine Angst, mein Organismus ist schon so daran gewöhnt, dass besagte Wirkung sich nicht mehr einstellt. In der Frühe, um 6 Uhr koche ich mir eine halbe Menageschale voll Hirsebrei mittags gibt’s Rindfleisch mit Fisolen, abends wieder Bohnen oder Erbsen, und das wiederholt sich jeden Tag, den Gott uns gibt. Wenn ich denke, als Kind hätte man mich mit Fisolen häuserweit treiben können und heute verschlinge ich sie mit leidenschaftsloser Beharrlichkeit. Heut 8 Tage geht’s mir schon besser wenn auch noch nicht ganz gut.
Gruss, Kuss, Adolf.
Sammlung Frauennachlässe NL 14 III
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Die Verwendung der Namen der Schreiber/innen und ihrer Familien folgt den vertraglichen Vereinbarungen der Sammlung Frauennachlässe mit den Übergeber/innen. In den Dokumenten genannte Namen dritter Personen werden aus Datenschutzgründen anonymisiert.
- Zur Feldpost des Ehepaars Müller siehe weiters https://ww1.habsburger.net/de.
Das Ehepaar Müller war nahe verwandt mit der Familie von Christl und Leopold Wolf, SFN NL 14 I, auf die sie in den vorliegenden Feldpostkarten auch Bezug nahmen Familie von Christl und Leopold Wolf (Link).
Zitation dieses Beitrages: Der Erste Weltkrieg in Selbstzeugnissen – Auszüge aus Beständen der Sammlung Frauennachlässe Nr. 128, Briefe von Adolf an Louise Müller, Datum, SFN NL 14 III, unter: URL