Adolf Müller (geb. 1881) war Finanzverwaltungs-Beamter in Wien. Im Ersten Weltkrieg war er zuerst in der Verwaltung eines „Feldmarodenhaus“ in Libiaz in Galinzien eingesetzt gewesen, 1917 dann offenbar an der Front. Mit seiner Ehefrau Louise (Aloisia) Müller (geb. 1886) hatte Adolf Müller die zwei kleine Söhne Otto im Schulalter und den 3jährigen Gottfried, die Familie lebte im 5. Bezirk. Die Feldpostkorrespondenz enthält u.a. 9 (Bild)Postkarten aus 1917, die an die Buben adressiert sind. Am 16. März 1917 schrieb der Vater dabei über die Russische Revolution. Daran geknüpft war die Einschätzung eines nun bald bevorstehenden Kriegsendes.
34 15./III.17
Liebe Louise!
In unserer Deckung haben wir eine einzige Uhr, die dem Diener des Ltn. H. gehört. Es ist auch eine Armbanduhr, hat 26 K gekostet & geht genau so elend, wie meine. Also geteiltes Leid ist halbes Leid, wir bestimmen jetzt die Zeit zum Aufstehen, Kaffee, oder Menage holen schon nach dem Lichte. Ist auch wieder für etwas gut. Man lernt Zeit schätzen. Einmal bin ich allerdings um meine Menage umgefallen. Jetzt komme ich wieder meist zu früh, aber das ist jedenfalls besser, als zu spät. Seit gestern haben wir – Tauwetter – unsere Deckung ist dafür ein Tröpferlbad. Gestern war ich übrigens auch in dem neu erbauten Bade ½ Stunde hinter der Front, dort wo die Reservestellungen der 23 F.K. sind. Es sind Einzelbrausen, für jeden Mann eine, du trittst auf den Hebel & die lauwarme Dusche überrieselt dich. Gestern & heute giengs mir überhaupt gut. Unser neuer Baonskommandant ein Hauptmann vom deutschen Generalstab hatte gestern die Herren Off. zu einem kleinen Gelage gebeten, da sein Bursche bei uns wohnt, brachte gestern der & und heute morgen der Bursch des Ltn. H. der auch geholfen hatte, Überreste vom Mahle und wir taten uns alle glücklich daran!
Bussi dir & den Kindern
Adolf
35 16.3.1917
An den kleinen
Gottfried Müller
Wien V/i
Gartengasse 18
Lieber Friedl!
Ich höre, daß zwischen dir & Otto immer Eifersuchtszenen stattfinden, wenn ich euch beiden eine Karte schreibe, so schicke ich euch diesmal jedem eine besondere Karte. Wie steht es mit Deinem Appetit? Hoffentlich lässt er nicht zu wünschen übrig! In dem Falle geht es dir gerade so wie Deinem Vater. An der Güte der Menage ist ja nichts auszusätzen, nur sollte man sie anstatt einmal – dreimal täglich bekommen. Ich höre, daß du sehr brav bist, was mich sehr freut!
Ich schicke dir viele Bussi Dein Vater
36 16.3.1917
An den kleinen
Otto Müller
Wien V/i
Gartengasse 18
Lieber Otto!
Habt ihr schon gehört, in Rußland soll Revolution herrschen, der Zar soll ermordet sein; wenn diese Nachrichten, die uns amtlich mitgeteilt wurden, auf Wahrheit beruhen, dann dürfte der Krieg nicht mehr lange dauern, und ich würde vielleicht bald – nicht auf Urlaub – sondern gänzlich zu euch nach Wien kommen. Aber dann gehe ich nie wieder fort von euch & in einen Krieg schon gar nicht! Sei nur recht brav & bete zum Himmelvater vielleicht erfüllt er unseren Wunsch!
Ich küsse dich im Geiste vielmals
Dein Vater
[Poststempel 8.4. 1917]
An den kleinen
Otto Müller
Wien V/i
Gartengasse 18
Lieber Otto!
Hier schicke ich dir eine Abbildung von dem oft erwähnten Zitaheim [Dieses wurde Anfang 1917 von Kaiserin Zita für das Regiment der Deutschmeister „am nördlichen Kriegsschauplatz“ gestiftet]. Du siehst, so gut es an der Front möglich ist, wird für Zerstreuung und Ablenkung der Soldaten gesorgt. Ich bin schon sehr neugierig auf deinen Ausweis [Zeugnis]!
Viele Bussi schickt dein Vater
65 [Poststempel 17.4.1917]
An den kleinen
Otto Müller
Wien V/i
Gartengasse 18
Lieber Otto!
Wir haben jetzt richtiges April-Wetter, gegenwärtig scheint die Sonne draußen, nach dem es schon einigemale heute geregnet hat. Wann bekommst du denn deinen 3. Ausweis? Ich bin schon sehr neugierig wie er aussieht. Viele Bussi dir & dem Gottfried
Dein Vater
Sammlung Frauennachlässe NL 14 III
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Die Verwendung der Namen der Schreiber/innen und ihrer Familien folgt den vertraglichen Vereinbarungen der Sammlung Frauennachlässe mit den Übergeber/innen. In den Dokumenten genannte Namen dritter Personen werden aus Datenschutzgründen anonymisiert.
- Zur Feldpost des Ehepaars Müller siehe weiters https://ww1.habsburger.net/de.
Das Ehepaar Müller war nahe verwandt mit der Familie von Leopold Wolf und Christl Lang, SFN NL 14 I.
Zitation dieses Beitrages: Der Erste Weltkrieg in Selbstzeugnissen – Auszüge aus Beständen der Sammlung Frauennachlässe Nr. 99, Briefe von Adolf an Louise Müller, Datum, SFN NL 14 III, unter: URL